Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
Blicke nicht unter Kontrolle. Wehmütig gedachte er seiner Adoleszenz.
Das opulente Mittagsmahl beim Mexikaner war ein Ausrutscher. Herr Schweitzer hatte sich wieder im Griff und trank als einziger Mineralwasser. Und, was man ihm so gar nicht zugetraut hatte, er fühlte sich wohl dabei. Seit Tagen hatte er auch keinen Joint mehr geraucht; nicht mal als begleitende Maßnahme für seinen gewohnten Mittagsschlaf. Allerdings hatte diese ihm eher fremde Lebensweise auch seine Nachteile. Obschon er sich vorgenommen hatte, den Sommer nicht mit Arbeit zu vergeuden, lauschte er gebannt den Ausführungen des Oberkommissars bezüglich der unheimlichen Frankfurter Mordserie. Trotz der teilweise vielversprechenden Spuren war man kaum einen Schritt vorangekommen.
Herr Schweitzer spitzte die Ohren, als Doris erklärte, sie glaube im Mordfall Jens Auer nicht an eine Zufallstat, der Täter habe es nur so aussehen lassen wollen.
„Warum denn das?“ fragte er ziemlich entgeistert.
Doris blickte zu Schmidt-Schmitt.
Dieser nickte mit dem Kopf, was bedeutete, es gehe schon in Ordnung, wenn sie Herrn Schweitzer gegenüber Ermittlungsgeheimnisse preisgab.
„Erstens sieht die Kleidung des Täters nicht nach einem Junkie aus, sofern der Zeuge auch nur halbwegs verläßlich ist …“, erklärte Doris.
Und der Oberkommissar ergänzte: „Zweitens ist Jens mit vier Schüssen niedergestreckt worden. Wenn es der Täter nur auf das Geld abgesehen hätte und er verhindern wollte, daß Jens ihm folgte, wäre ein Schuß vollkommen ausreichend gewesen.“
Die Kommissaranwärterin: „Genau. Zumal der erste Schuß schon tödlich war. Direkt in die Herzkammer. Bei den anderen hat er bereits sterbend auf dem Pflaster gelegen. Das sieht mir eher nach einem sehr wütenden Täter aus.“
Herrn Schweitzers erster Gedanke: „Und wenn sie vorher in Streit geraten sind …“
„Siehst du, Doris“, sagte Schmidt-Schmitt nun, „das ist unser Simon. Gar nicht so dumm, das Kerlchen.“ Er wandte sich an Herrn Schweitzer. „Genau dasselbe haben wir uns auch schon gefragt. Der Zeuge hat aber von einem Streit nichts mitbekommen.“
„Der konnte ja schon stattgefunden haben, als die Türen vom Taxi noch geschlossen waren“, versuchte es Herr Schweitzer mit einer neuen Theorie.
Doris: „Genau das ist unser Problem. Nichts als Hypothesen.“
Der Oberkommissar: „Und beim Mord im Günthersburgpark sieht’s auch nicht viel besser aus.“
Doris wieder: „Da hat nämlich die Pathologie entdeckt, daß das Mordmesser höchstwahrscheinlich vorher extra noch geschliffen worden ist.“
Herrn Schweitzers Blicke schwirrten hin und her.
„Yeap. Auffallend viele Partikel aus Edelstahl am Ringknorpel“, fügte Schmidt-Schmitt hinzu. „Zu viele für seinen Geschmack, sagt der Pathologe.“
Natürlich hatte er keine Ahnung, wo in der menschlichen Anatomie ein Ringknorpel zu suchen sei. Sein fragender Gesichtsausdruck sprach Bände.
Doch sein Kumpel klärte ihn auf, wenn auch sehr kryptisch: „Der Ringknorpel. Hals. Zack. Viel Blut und so. Gleich tot. Hatte keine Chance.“
Doris Brenn-Scheidler fiel in einen ähnlichen Duktus: „Und Niederrad, Ingolf Decker. Auch so. Viel Wut im Bauch. War aber kein Messer, war eine Drahtschlinge. Der Kopf hing nur noch am seidenen Faden.“
„Hihi, der war gut“, kicherte Schmidt-Schmitt nun dümmlich und gab Doris einen Kuß. „Seidener Faden …“
Herr Schweitzer kam nicht umhin sich zu fragen, ob die bei der Kripo intern immer so babbeln oder ob nun der Zeitpunkt gekommen war, an dem seine eigene Nüchternheit nicht mehr mit dem Alkoholgenuß der anderen harmonierte. Er besah sich ihre Deckel. Beide waren beim siebten Glas Wein angekommen. Ui, ui, ui.
Und während er noch darüber sinnierte, wie er sich nach sieben Gläser Wein fühlen mochte, kam eine aufgeräumte Elly McGuire zu ihnen. Wie eine Monstranz trug sie ein volles Tablett kleiner Schnapsgläser. „Na, wie steht’s, wie geht’s? Williams Christ, wer möchte?“
Doris und Mischa mochten. Herr Schweitzer lehnte dankend ab.
Nachdem man einen Toast auf das Leben im allgemeinen ausgesprochen und die Gläser in einem Zug geleert hatte, fragte Elly leichthin: „Und, wie weit seid ihr mit euren Ermittlungen? Muß Simon euch tatsächlich unter die Arme greifen?“
„Ach, lieber nicht“, widersprach der Oberkommissar. „Unter den Armen bin ich kitzelig.“ Er hatte ein Stadium erreicht, in dem Ernsthaftigkeit nicht mehr angesagt
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