Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
war.
„Versteh ich nicht. Bist du etwa auch von unserem Verein?“ fragte Doris ernsthaft.
Bevor sich Herr Schweitzer die Worte zurechtgelegt hatte, sprang sein Kumpel für ihn in die Bresche: „Hihi, du bist vielleicht komisch. Simon und ein Bulle … Da müßte er doch arbeiten. Das paßt zusammen wie Teufel und Weihwasser.“ Zum Zeichen, daß er es nicht so gemeint hatte, gab Schmidt-Schmitt dem Herrn Schweitzer einen Klaps auf die Schulter.
Dann ließ er sich doch noch zu einer Erklärung herab: „Nein, nein. Simon ist kein Bulle. Vielmehr ist er … wie soll ich sagen? Privatdetektiv wäre übertrieben.“
Aber auch Herr Schweitzer konnte nicht so recht erklären, was er eigentlich war. An schlechten Tagen bezeichnete er sich selbst als Faulpelz, an guten als Bonvivant. Schlechte Tage waren eine Rarität, der jetzige drohte gerade einer zu werden. Er fragte sich, ob er selbst auch immer so viel sinnloses Zeug daherredete, wenn er einen im Tee hatte. Erste Anzeichen einer veritablen Identitätskrise?
Unbemerkt hatte sich seine Freundin Maria von hinten genähert, schlang ihren Arm um seinen Hals und sagte: „Simon ist ein Schatz. Gelle, mein Schatz?“
Hic et nunc hätte sich Herr Schweitzer am liebsten eine Decke über den Kopf gezogen. Statt dessen spitzte er die Lippen und küßte den ihm dargebotenen Mund, was Doris und Mischa zum Anlaß nahmen, ihrerseits ausgiebig zu knutschen.
Trotz dieser prickelnden Ablenkung war Doris weiterhin neugierig. So fragte sie, als sie wieder Atem schöpfte: „Was ist denn Simon nun wirklich?“
Elly: „Simon ist Privatdetektiv. Ein verdammt guter, was man so hört. Stimmt’s?“
„Klar“, stimmte Maria ein ins Hohelied. „Mein Schatz ist außer, daß er mein Schatz ist, auch noch verdammt schlau. Wäre ich sonst mit ihm zusammen!?“
Abwehrend schüttelte Herr Schweitzer seine rechte Hand wie einen Fächer. „Nun laßt mal gut sein, Kinderchen. Privatdetektiv, manchmal. Aber nur in Sachsenhausen.“ Er fühlte sich zunehmend von allen Seiten bedroht. Nüchtern im Weinfaß, so lernte er gerade, ist so unmöglich wie Handkäs ohne Musik. Zumindest an einem Samstag, wenn die ganze Bagage in Partylaune war.
Zu allem Überfluß kam dann auch noch der Ouzo-Schorsch angedackelt und gab mit schwerer Zunge ein paar Anekdoten aus seinem Berufsleben als Richter des Frankfurter Oberlandesgerichts zum Besten. Und, was Herrn Schweitzer am meisten erstaunte, alle schienen dessen Ausführungen folgen zu können, indes er selbst nur Bahnhof verstand. Zur Sprache der Alkoholisierten war ihm der Zugang verwehrt. Es gab keinen gemeinsamen Nenner mehr. Wie auch, wenn aus einem Zeugen ein Scheuge, einem Staatsanwalt ein Schdadsanwatt und einer Revision eine Rewischonn wurde. Allein die Dechiffrierung einzelner Worte beanspruchte Herrn Schweitzer dermaßen, daß für den Inhalt keine Kapazitäten mehr frei waren. Er wünschte, die Tortur habe bald ein Ende.
Leider war auch seine Maria heute außer Rand und Band. Sonst gehörte sie immer zu den ersten, die gehen wollte.
Als es dann, weit nach Mitternacht, endlich an der Zeit war, schlug seine Freundin auch noch vor, ganz romantisch, so wie früher, den weiten Weg hoch zum Lerchesberg zu Fuß zurückzulegen. „Guck doch mal, der Mond, ist das nicht schön? Ach, Simon …“ Sie hakte sich bei ihm ein.
Unterwegs kamen sie noch am Denkmal des unbekannten Detektivs vorbei. Natürlich gab es in ganz Sachsenhausen keinen Gedenkstein dieser Art. Aber Herr Schweitzer stellte ihn sich bildlich vor, so schlecht stand es um ihn. Sogar die Lupe war aus Marmor.
Wie nicht anders zu erwarten, schlief Maria umgehend ein, kaum hatte sie sich ihrer Klamotten entledigt.
Eigentlich war Herrn Schweitzer das Schlafen in die Wiege gelegt worden. Nun wollte es ihm partout nicht gelingen. Er starrte an die Decke und wartete auf die ihn übermannende Müdigkeit. Immer wieder tauchte Jens Auers Gesicht vor ihm auf. Und er, Herr Schweitzer, war mittenmang in der Detektivarbeit. Jens Auer, mal ein skrupelloser Mädchenhändler, der sich mit einer übermächtigen Konkurrenz angelegt hatte, mal ein ahnungsloses Opfer, das unwillentlich der Rauschgiftmafia in die Quere gekommen war.
Erst als liebliche Sonnenstrahlen den Lerchesberg grüßten, fiel der mit einem imaginären Denkmal Geehrte in einen unruhigen Schlaf, der von allerlei Abenteuer rund um die Detektiverei begleitet wurde.
– Rückblende –
Derselbe Ort, dieselbe Zeit wie gestern. Er
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