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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Mord nun gründlich ins Wasser gefallen war, mußte er umdenken. Noch hatte er genug Zeit. In einer dreiviertel Stunde würde ihn Jens Auer aus einer Sachsenhäuser Kneipe abholen und ihn nach Oberrad bringen. Das hatte er telefonisch mit ihm vereinbart. Was sollte er jetzt tun? Wie seinen Plan ändern?
    Rechts in die Königslacherstraße. Wieder rechts in die Schwarzwaldstraße. Er kam zu keinem Ergebnis. Zeit, ich brauche Zeit. Mist, verfluchter Bockmist, warum müssen die gerade heute in Urlaub fahren? Alles hätte so schön sein können.
    Mechanisch schloß er sein neues Rennrad auf. Am Himmel über dem Oberforsthaus blitzte es schon wieder. Kurz darauf war der Donner zu hören.
    – Ende der Rückblende –
    Herr Schweitzer war in einen Hinterhalt geraten, wie er hinterhältiger nicht hätte sein können. Obwohl er sich mit Müsli und frischem Obst vollgestopft hatte, warf ihn der Bratenduft aus dem zweiten Stock fast um. An der Haustür kam ihm sein türkischer Nachbar Güney mit in Folie gepackten Dönern entgegen. Er täuschte Eile vor und grüßte nur kurz, um den kulinarischen Gefahrenherd schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Auf den paar Metern zur Mörfelder Landstraße erholte er sich zumindest so weit, daß sich die tänzelnden Sternchen, die ihm um den Kopf schwirrten, fast immaterialisierten. Trotzdem hechelte sein Bauch nach Fleisch. Als Tausch bot er Obst und Müsli an. Vollends aus dem Gleichgewicht brachte ihn ein widerlicher Punk mit metallicblauem Irokesenschnitt, der auf einem Poller sitzend eine Pizza in der Größe eines Wagenrades verzehrte. Der Thunfischgeruch verhieß Zustände wie im Paradies. Von da an torkelte Herr Schweitzer, als habe er sich im Vollsuff beide Knie gestaucht. Menschen, die ihm entgegenkamen, machten einen großen Bogen um ihn.
    Beim Autohändler kapitulierte er. Er schlug sich in einen Busch und übergab sich. Dann verlor er den Boden unter den Füßen und schaffte es gerade noch bis zum Mäuerchen. Die Sternchen waren wieder da. Saftige Steaks epiphanischer Natur umkreisten ihn in wenigen Zentimeter Abstand.
    Eine Dame weit jenseits der Siebzig im geblümten Sommerrock blieb stehen und musterte ihn unverhohlen. „Diese Jugend, tz, tz, tz. So wehleidig, tz, tz, tz. Fehlt Ihnen was?“
    Wie durch eine dichte Nebelwand drangen die Worte an sein Ohr. „Geht schon. Danke. Der Kreislauf.“
    Dabei war Herr Schweitzer die letzten Tage so tapfer gewesen. Zwei Tage noch, allerhöchstens drei, und das nächste Loch in seinem Gürtel wäre fällig gewesen. Es gab sogar Obst, das ihm inzwischen schmeckte: Erdbeeren.
    „Ja, ja, der Kreislauf. Das kenne ich, das kenne ich. Sie müssen sich mehr bewegen, junger Mann. Glauben Sie einer alten Frau.“
    Mühsam rappelte sich Herr Schweitzer auf. „Mach ich, danke. Bewegen.“
    „Und trinken. Bei dieser Hitze, immer viel trinken. Das vergessen die meisten. Bei uns im Seniorenheim …“
    „Ja, mach ich auch. Trinken, immer viel trinken.“ Aber das hatte er sowieso vorgehabt, allein schon wegen des schalen Geschmacks in seinem Munde.
    „Da vorne ist ein Kiosk. Soll ich Ihnen was holen?“
    „Geht schon. Danke. Schönen Tag noch.“
    Skeptisch blickte sie zum Häufchen Elend. „Na dann. Gute Besserung.“
    Zwanzig Minuten und zwei Flaschen Mineralwasser später war Herr Schweitzer insoweit wieder hergestellt, daß er die letzten Meter zu Jens Auers Wohnung unfallfrei bewältigte, wenn man mal von den vielen Rülpsern absah.
    – Rückblende –
    Es hatte ewig und drei Tage gedauert, bis er endlich die Handynummer des Taxifahrers erfuhr. Zwar hatte er in Erfahrung bringen können, daß Jens Auer für den Taxibetrieb Studer & Studer arbeitete, aber nicht, an welchem Halteplatz er seine Schicht begann. Tagelang hatte er umsonst die Taxistände Merianplatz, Zoo und Nibelungenplatz beobachtet, bis er auf die Idee gekommen war, ihn direkt bei der Ausfahrt vom Hof abzupassen. Endlich mal ein Fahrer, der sich auskennt, hatte er Jens Auer überschwenglich am Zielort in Oberrad gelobt und ihm dann ein fettes Trinkgeld gegeben. Und noch bevor er es selbst ansprechen konnte, hatte ihm der Taxifahrer von sich aus seine Visitenkarte in die Hände gedrückt. ‚Falls Sie mal wieder einen zuverlässigen Fahrer brauchen.’
    Erst im letzten Moment hatte er an die Perücke gedacht und sie in eine Plastiktüte gesteckt. Sie kannten sich ja und die Verkleidung war nun überflüssig. Bereits um neunzehn Uhr hatte er Jens Auer angerufen und die

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