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Das Geheimnis von Compton Lodge

Das Geheimnis von Compton Lodge

Titel: Das Geheimnis von Compton Lodge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Jackob
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Gemälde.
    Â»Die Kutsche auf dem Bild?«, fragte ich ohne lange zu überlegen. Und nach kurzen Pause: »Aber das ist doch blanker Unsinn, deshalb hier anzuhalten.«
    Â»Nicht so voreilig. So können Sie den Aberwitz der Darstellung am eigenen Leib nachvollziehen. Ist Ihnen etwa verborgen geblieben, dass man die Kutsche nicht wie den Rest des zentralen Bildbereichs mit einem Stück Leinwand verdeckt und übermalt hat?«
    Â»Ãœbermalt! Ausgezeichnet, Holmes. Dennoch, wenn wir noch lange hier stehen, kann ich uns ohne Untersuchung eine Lungenentzündung diagnostizieren.«
    Â»Was für eine überaus geistreiche Bemerkung.«
    Endlich ging unsere Fahrt weiter. Als wir den Gasthof erreichten, gelang es mir nur mit Mühe abzusteigen, so steif waren meine Glieder. Holmes reichte mir das Bild nach unten und brachte den Einspänner in einen nahegelegenen Stall. Mir gelang es, das Diebesgut unbemerkt auf unser Zimmer zu bringen. Dort wickelte ich die Decke ab und legte es auf mein Bett. Holmes stürmte zur Tür herein und warf seinen Mantel achtlos zur Seite.
    Â»Einen Augenblick!«
    Er lief zum Kleiderschrank, aus dem er einen länglichen, nicht sonderlich großen Lederkoffer herausholte und öffnete. Zu meiner Verblüffung fanden sich darin eine Menge kleinerer und größerer Skalpelle, Tinkturen sowie ein Bunsenbrenner. Holmes zog den Tisch zum Bett und richtete die Blendlaterne auf das Bild.
    Â»Sehen Sie, Watson. Hier und hier und … da!«
    Als habe er schon unzählige Male solche Arbeiten ausgeführt, nahm er ein größeres Skalpell zur Hand und begann die Leinwand vorsichtig zu bearbeiten. Ich hatte mich neben ihn auf einen Stuhl gesetzt, nickte aber recht bald ein. Gegen halb vier wachte ich auf und betrachtete seine Arbeit. Mein Freund stand am Fenster und sah in die Nacht hinaus.
    Â»Und? Was halten Sie davon?«
    Er hatte ein Stück Leinwand entfernt, das einen Teil des Originals verdeckt hatte. Die Kutsche stand an einer Stelle auf der Straße, von der nun ein bislang verborgener Fußweg in das Hopfenfeld führte.
    Â»Auf dem Bild findet sich jetzt ein Pfad in dieses Hopfenfeld. Ich muss Sie enttäuschen, mir fällt beim besten Willen nichts weiter dazu ein.«
    Mein Gefährte sah mich durchdringend an und seufzte leise. Offenkundig schien ich einen fundamentalen Aspekt zu übersehen.
    Â»Können Sie mir freundlicherweise sagen, was es mit diesem Weg auf sich hat? Nein?«
    Mit zwei schnellen Schritten stand er neben mir und deutete auf den Kutscher.
    Â»Und wer denken Sie, ist das?«
    Ich hatte keine Ahnung.
    Â»Es lässt sich zwar nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen, aber die Ähnlichkeit zu unserem Mr. Jeffries ist bei näherem Hinsehen nicht von der Hand zu weisen. Sie erinnern sich doch noch an den ehemaligen Privatsekretär Ihres Großvaters?«
    Ich stand auf und beugte mich über das Bild; man konnte tatsächlich Andrew Jeffries auf dem Kutschbock vermuten.
    Â»Holmes«, ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, »was genau untersuchen wir hier eigentlich?«
    Â»Ist Ihnen das noch immer nicht klar? Ihre Vergangenheit, den ermordeten Pfarrer und den Niedergang Ihres Bruders.«
    Ich sah ihn entgeistert an, meine Stimme überschlug sich.
    Â»Das ist Ihrer nicht würdig. Nur weil Sie keinen Anhaltspunkt finden können, ziehen Sie meinen Bruder Henry in diese Geschichte hinein.«
    Â»Ich hatte nicht vor, Sie zu beleidigen. Die Zusammenhänge sind komplex und hoch kompliziert. Ihre Bemerkungen im Delirium waren übrigens sehr aufschlussreich.«
    Ich wartete, aber mein Freund schien nicht bereit, noch weiter auf die Geschehnisse einzugehen. Er stand auf und durchlief ein paar Mal das Zimmer. Plötzlich stoppte er und beobachtete einen Fleck an der Wand. Er ging darauf zu, bis er ihn fast mit der Nase berührte.
    Â»Holmes?«
    Er antwortete nicht, sondern verharrte in dieser merkwürdigen Position.
    Â»In Gottes Namen, was tun Sie da? Wenn ich nicht um Ihre Exzentrik wüsste, würde ich mir ernsthaft Gedanken machen.«
    Â»Das tun Sie doch bereits. Was ist Ihr Problem, werter Freund? Ach so!«, ließ er in gleichmütigem Ton fallen und legte nun auch noch seine Handinnenflächen auf die Wand, »Ihre überaus fürsorgliche Art, die sich aus der Angst vor dem Unbekannten speist, ist bis zu einem gewissen Grade liebenswert, aber auch nervtötend.

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