Das Geheimnis von Compton Lodge
war?«
»Ein Besuch bei seiner Schwester. Wie übrigens jede Woche. Die beiden essen gemeinsam und verbringen noch ein paar Stunden miteinander. Dann verabschiedet sich der Bischof ins Nebengebäude, um dort zu schlafen.«
»Und wo war Butler während dieser Zeit?«
»Er war aus gewesen. In seinem Club in Canterbury. Karten spielen.«
Holmes schien keinerlei Interesse an dem Namen des Clubs zu haben. Ich wiederum hätte gerne nachgefragt, doch erinnerte ich mich ein weiteres Mal seiner Bitte und schwieg.
»Hat er seinen Onkel gefunden?«
»Ja, Mr. Holmes. Um etwa halb sechs heute Morgen. Er hat einen dumpfen Schlag gehört. Sein Schlafraum liegt zum Nebengebäude hin, von seinem zu Montgomerys Zimmer sind es nur ein paar Yards Luftlinie. Als er nach unten kam und sah, dass die Tür zum Nebenflügel und auch die zum besagten Zimmer seines Onkels offenstand, vermutete er Schlimmeres, was sich leider auch bestätigte.«
»Wie würden Sie Butlers Konstitution während der Befragung einschätzen?«
»Anfänglich sehr gut. Ruhig, konzentriert, wenn auch mitgenommen. Was will man anderes erwarten? Nach einer Weile verlor er immer mehr die Fassung und fing sogar an zu weinen. Aber gut, in einer solchen Situation. Butler hat ja, wenn man so will, seinen Ziehvater verloren.«
Holmes dankte dem Constable, dann verlieÃen wir das Zimmer. Auf dem Vorplatz wurden Stimmen laut, ein Blick nach drauÃen verriet uns den Grund für den Aufruhr.
»Sie haben den Stallburschen, was auch nicht anders zu erwarten war. Ich bin mir sicher, dass er nichts mit der Sache zu tun hat. In Montgomerys Zimmer gab es keinen Hinweis auf ihn. Fürs Erste hat man einen Schuldigen. Das wird unsere Arbeit erleichtern.«
»Holmes, wenn Sie die Beschuldigung gegen den Mann entkräften können, dann tun Sie es doch!«
»Zu gegebener Zeit werde ich mich dem Problem widmen. Im Augenblick würde es den Ermittlungen schaden.«
»Sie überlassen ihn den Klauen der Justiz?«
»Ihre vollkommen unangebrachte Philanthropie ehrt Sie zwar, lässt mich aber an Ihrem Scharfsinn zweifeln; sie ist gelinde gesagt â¦Â«, er nestelte eine weitere Zigarette aus seinem silbernen Etui und drehte sie behutsam in der rechten Hand, »⦠lästig.«
Ich versuchte es erneut.
»Den Jungen auch nur stundenweise der Justiz zu überlassen, obwohl seine Unschuld bewiesen werden kann, ist unanständig. Sagen Sie, was Sie wollen, ich werde Ihre Meinung nicht teilen.«
Ich drehte mich um, stürmte zur Tür hinaus und beobachtete die Szenerie zu meiner Linken. Drei Constables hatten den bulligen Stallburschen endlich beruhigen können und ihm Handschellen angelegt. Dieser machte seinem Ãrger erst noch lautstark Luft, wurde aber, je näher er der Haustür kam, immer stiller. Offenkundig schien ihm bewusst zu werden, dass sein anfängliches Verhalten einem Schuldeingeständnis glich. Ich machte einen Schritt zur Seite und lieà die kleine Gruppe passieren. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Mit einem Mal begann sich mir die Absurdität der ganzen Szenerie zu erschlieÃen. Etwas weit in der Vergangenheit Liegendes schien mich erreichen zu wollen, aber nichts war konkret genug, um mir einen Anhaltspunkt zu geben. Es kam mir vor, als würde ich beobachtet und jemand versuchte, in meine Gedanken einzudringen.
Meinem Instinkt folgend, ging ich zum Nebengebäude und blieb vor dem schwach erleuchteten Zimmer stehen, in dem noch immer der tote Bischof Montgomery lag. Ich hielt mich in einiger Entfernung zum Fenster, so dass man mich von drinnen nicht würde sehen können. Inspektor Kingslay, der eigentlich schon mit Butler nach Canterbury unterwegs sein wollte, betrat den Raum. Er verriegelte die Tür hinter sich, fasste in seine Jackentasche und zog etwas heraus. Dann trat er neben den Toten und kniete sich auf den Boden. Fast wäre ich ans Fenster getreten und hätte geklopft, blieb aber stattdessen in sicherer Entfernung und beobachtete weiter das Geschehen. Der Inspektor steckte ein für mich nicht identifizierbares Objekt in die linke Hosentasche des Toten. Ich war so empört, dass ich einen Moment in den wolkenverhangenen Himmel sehen musste, um mich zu beruhigen. Ohne jeden Zweifel war eine Schurkerei allererster Güte im Gange. Holmes musste so schnell wie möglich benachrichtigt werden. Ich schaute erneut ins Zimmer
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