Das Geheimnis von Compton Lodge
dabei, mein Lieber. Dort muss unsere Suche weitergehen. Aber alles zu seiner Zeit.«
Ich saà schweigend da, mir drehte sich der Kopf. Sollte mein verstorbener GroÃvater der Auslöser für all die Ereignisse sein? Das vermochte ich mir kaum vorzustellen.
»Was gedenken Sie zu tun, Holmes?«
»Sie erinnern sich doch noch an den Privatsekretär von Sir Edward, der vor ein paar Tagen in die Baker Street gekommen ist?«
»Andrew Jeffries? Natürlich.«
»Ihn werden wir zuerst aufsuchen, er wohnt in Ramsgate, an der Küste. Ich habe uns eine Zugverbindung herausgesucht. Wenn wir in den nächsten zehn Minuten aufbrechen, kommen wir rechtzeitig nach Canterbury, von wo aus wir den Elf-Uhr-Zug nehmen können.«
Ich sprang auf, um mich reisefertig zu machen. Holmes hingegen blieb sitzen und zündete sich eine Zigarette an.
»Sie hätten mir das wirklich früher mitteilen können.«
»Da muss ich Ihnen ausnahmsweise Recht geben, mein Lieber.«
IX. Mr. Andrew Jeffries
Als wir am frühen Nachmittag Ramsgate erreichten, schien die Sonne so hell und klar, als herrschte in dieser Gegend nie anderes Wetter. Ich genoss den herben, frischen Wind, auch wenn ich leichte Bedenken wegen meiner noch recht anfälligen Konstitution hatte. Holmes hatte bereits eine Kutsche gestoppt, die uns zum ehemaligen Privatsekretär von Sir Edward bringen würde. Er wohnte in einem kleinen, typisch englischen Haus mit Vorgarten und Blick aufs Meer.
»Recht ansehnlich«, meinte mein Gefährte knapp, als er den Türklopfer betätigte.
»Ja, es sieht gemütlich und gepflegt aus«, gab ich zur Antwort.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der bei unserem Anblick verdutzt dreinschauende Jeffries geöffnet hatte.
»Mr. Holmes und â¦Â«, es folgte eine kleine Pause, bei der man den Eindruck gewinnen musste, unser Gegenüber versuche sich zusammenzunehmen, »Doktor Watson. Haben Sie sich denn gut erholt?«
»Ich fühle mich noch ein wenig schwach. Aber Holmesâ Vorschlag, eine Reise an die Küste zu unternehmen, erschien mir ausgezeichnet. Also habe ich eingewilligt. In der Baker Street wäre mir noch die Decke auf den Kopf gefallen.«
Wir standen weiter in der Tür. Der ehemalige Privatsekretär machte keine Anstalten, uns einzulassen.
»Sie haben doch einen Moment Zeit?«, fragte ihn Holmes scheinbar teilnahmslos.
»Ich, also, ja, natürlich.«
SchlieÃlich konnte er nicht mehr anders.
»Kommen Sie doch herein.«
Wir nahmen in dem schlicht hergerichteten Empfangszimmer an einem runden Eichentisch Platz.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Wir lehnten ab und versicherten, dass unser Besuch nicht lange dauern würde.
»Fragen Sie, meine Herren, ich werde versuchen, nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten.«
»Wie lange waren Sie in Diensten von Sir Edward?«, begann Holmes.
»Ziemlich genau zweiundzwanzig Jahre. Als ich zu ihm kam, war ich siebenunddreiÃig Jahre alt, und ich blieb bis zu seinem Tod.«
»War Sir Edward ein gläubiger Mann?«
»Er war so gläubig, wie es eben gut war, um seine Geschäfte treiben zu können.«
»Wie war sein Verhältnis zum damaligen Erzbischof?«, fragte Holmes weiter. Ich war einigermaÃen überrascht, denn er behauptete einfach, dass sich die beiden gekannt hatten und sollte Recht behalten.
»Ich glaube sagen zu dürfen, dass es gut war. Sie trafen sich ab und an zu einem Plausch und einer Tasse Tee auf Compton Lodge. Mehr oder minder jedes zweite Wochenende.«
»Also verband die beiden eine Art Freundschaft?«, warf ich ein.
Jeffries überlegte, richtete den Blick nach drauÃen und kniff die Augen, wohl wegen der Helligkeit des Sonnenlichts, kurz zusammen.
»Wissen Sie, das ist eine heikle Frage. Waren sie befreundet? Nein, ich würde es eher als Wertschätzung und Respekt füreinander bezeichnen.«
Ich war verwundert wegen der peinlich genauen Differenzierung, die der Privatsekretär auch nach so vielen Jahren noch traf. Offensichtlich wollte er sich für seine Bemerkung rechtfertigen, denn er ging nochmals darauf ein.
»Sie müssen entschuldigen, aber Sir Edward legte groÃen Wert auf Unterscheidungen dieser Art. Ich wüsste nicht, ob aus seiner Sicht überhaupt je jemand sein Freund gewesen ist. Mit Ausnahme vielleicht von Admiral Butler.«
»Admiral Butler?«,
Weitere Kostenlose Bücher