Das Geheimnis von Digmore Park
für einen Moment jünger erscheinen.
„Mama spielt Schach“, sagte sie schließlich und setzte hinzu, als er nicht antwortete, „nicht überragend gut, doch gut genug, dass Papa, als er noch lebte, und sie sich die langen Winterabende vertreiben konnten. Das war allerdings vor einigen Jahren und …“
Der Kammerdiener hatte genug gehört. „Würden Sie dann bitte Ihrer geschätzten Frau Mama ausrichten, dass Mylord Mylady heute Nachmittag um drei in seinen Gemächern zu einem Schachspiel erwartet?“
„Heute Nachmittag?“, vergewisserte sich Elizabeth.
„Richtig, Miss Porter.“
„Um drei?“
„Gewiss, Miss Porter.“
„Aber das ist in nicht viel mehr als einer Stunde.“
„So ist es, Miss Porter.“
Elizabeth vermochte ihn nur fassungslos anzustarren. Sollte es mit einem Mal so einfach sein, zu seiner Lordschaft vorzudringen?
„Würden Sie seiner Lordschaft bitte ausrichten, dass Mama dieser Einladung liebend gern Folge leisten wird!“
„Das wird Mylord freuen, Miss Porter. Und Sie richten Ihrer Ladyschaft bitte aus, sie möge an die erste Tür neben dem Treppenaufgang klopfen und gut darauf achten, dass sie von niemandem gesehen wird.“
Der Kammerdiener wartete ab, bis Elizabeth nickte, dann verbeugte er sich höflich und ging den Flur entlang zu den Zimmern seines Herrn zurück. Elizabeth beeilte sich, ihm zu folgen. Der Schlüssel blieb im Schlüsselloch stecken.
Elizabeth konnte es kaum erwarten, in ihr Zimmer im rechten Flügel zurückzukommen. Die verschiedensten Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie hatte Dewarys Tür aufgesperrt! Mama würde in Kürze den Herrn des Hauses treffen! Wie schade, dass sie selbst nicht Schach spielte, sie wäre bei diesem Treffen zu gern dabei gewesen. Doch uneingeladen konnte sie wohl nicht ebenfalls erscheinen. Der Kammerdiener hatte ihre Frage nicht beantwortet, ob er es gewesen war, den sie am Waldrand gesehen hatte. Sie hatte ihm diese Frage allerdings auch nicht ausdrücklich gestellt. Wie bekam sie Mama nur so schnell vom Kräutergarten ins Haus, ohne dass jemand Verdacht schöpfte?
Zumindest die letzte Frage war rasch geklärt. Denn als sie in ihr Zimmer zurückkehrte, wurde sie bereits ungeduldig von ihrer Mutter erwartet. Mylady hatte die Kammerzofe vorsorglich aus dem Raum gescheucht, und so hörte kein fremdes Ohr ihre Frage.
„Hast du die Tür aufsperren können?!“
„Alles ist in bester Ordnung, Mama. Außerdem habe ich eine höchst erfreuliche Nachricht für dich, du bist eingeladen!“
„Von wem?“ Mylady kniff die Augenbrauen zusammen.
„Von Lord Digmore. Seine Lordschaft erwartet dich um drei.“
„Doch nicht etwa heute?“
Elizabeth nickte begeistert. „Doch, Mama! Ist das nicht großartig?“
Mylady dämpfte mit einer beruhigenden Geste die Begeisterung ihrer Tochter. „Einen Augenblick, Lizzy, was genau hat seine Lordschaft zu dir gesagt? Wo hast du ihn getroffen?“
Elizabeth ließ sich ihrer Mutter gegenüber auf der Bettkante nieder. „Ich habe seine Lordschaft gar nicht getroffen. Doch der Kammerdiener kreuzte auf dem Flur meinen Weg.“ Das war nicht die ganze Wahrheit, doch warum sollte sie Mama unnötig aufregen?
„Er hat mich gefragt, ob ich Schach spiele. Wahrheitsgemäß habe ich diese Frage verneint und gemeint, du seist eine gute Spielerin. Nun erwartet dich seine Lordschaft zu einer Partie.“
„Aber ich bin doch keine gute Spielerin! Wie konntest du so etwas nur behaupten? Dein Vater hat nur so gern mit mir gespielt, weil er nie Gefahr lief zu verlieren.“
Elizabeth lachte auf. „Welcher Mann verliert schon gern? Ich bin sicher, Lord Digmore wird es lieben, mit dir zu spielen. Doch nun sag, wie kommt es, dass du schon aus dem Kräutergarten zurück bist? Ich wähnte dich dort für die nächsten Stunden!“
Mylady tat das mit einer kleinen Handbewegung ab. „Wo denkst du denn hin? Ich kann doch mit diesen grünen Dingern nicht wirklich etwas anfangen! Als ich Charlie zu den Stallungen zurückkehren sah, entnahm ich seiner fröhlichen Miene, dass er den Schlüssel beschafft hatte. Dann taten mir mit einem Mal die Füße weh, und ich hatte keine andere Wahl, als ins Haus zurückzukehren. Die Frauen aus der Küche hatten vollstes Verständnis.“
Ihre Mutter lachte vergnügt, und Elizabeth stimmte nur zu gern in ihr Lachen ein.
Myladys Blick fiel auf die Wanduhr neben Elizabeths Bett. „Um Himmels willen, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Komm mit auf mein Zimmer, Lizzy, ich muss
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