Das Geheimnis von Digmore Park
beiden kam. Und doch …“, er wandte sich an Dewary, dessen Fassungslosigkeit mit jedem seiner Worte wuchs, „hätte ich mir nie träumen lassen, dass du meine liebe Mutter so gehasst hast, dass du ihren gewaltsamen Tod herbeiführen würdest.“
Der Major wollte aufspringen, doch der Friedensrichter hielt ihn mit fester Hand zurück. „Sie bleiben sitzen und stehen erst auf, wenn ich es gestatte!“ Und an Lord Bakerfield, der diese Rüge mit diebischem Vergnügen angehört hatte: „Es ist noch nicht erwiesen, dass Ihr Vetter tatsächlich der Mörder seiner Tante ist. Das ist eine sehr ernste Anschuldigung, wie ich Ihnen bereits bei Ihrem Besuch in meinem Haus sagte. Wenn Sie es nicht waren, der Major Dewary zur Flucht aus seinem Zimmer verholfen hat, wer war es dann?“
Zu aller Überraschung brach Lady Bakerfield in Tränen aus. „Das war mein Bursche, Shiffton, Sir. Ich selbst hatte ihm davon erzählt, dass Major Dewary auf seinem Zimmer eingeschlossen war. Ich konnte doch nicht damit rechnen …“ Ihre Stimme verwandelte sich in ein Schluchzen. Ihr Gatte ging zu ihr hinüber, um ihr sein Taschentuch zu reichen. Dann stellte er sich zum Kamin zurück. Sie schenkte ihm ein liebreizendes Lächeln. „Danke dir, mein Lieber!“ Sie putzte sich die Nase. „Wahrscheinlich lag es daran, dass es sich um einen Offizier handelte. Shiffton hat selbst für kurze Zeit in Spanien gedient und war ein glühender Bewunderer unseres glorreichen Regiments …“
Bakerfield, der nur zu gut wusste, dass die Reise nach Digmore Park die weiteste war, die der Bursche je unternommen hatte, schenkte seiner Frau einen bewundernden Blick. Er hatte sich selbst schon Gedanken gemacht, wie man den Tod des Burschen in der Ligusterhecke am besten würde erklären können. Es war geradezu genial, ihn Dewary in die Schuhe zu schieben!
„Wir haben die Leiter entdeckt, kurz bevor Sie uns haben rufen lassen, Sir. Sie lehnte an Dewarys Fenster, bevor wir sie entfernten. Sicher hat der Bursche damit dem Major zur Flucht verholfen.“
„Und als Dank dafür hat er ihn erschossen“, Myladys Tränenstrom wurde wieder stärker, „damit er keinen Mitwisser hat, der ihn verraten könnte!“
Dewary traute seinen Ohren nicht. Welch schamloses Spiel spielten die beiden?
„Aber du warst es doch, der den Burschen erschoss, Edward!“, empörte er sich. „Was erzählst du denn da für Schauergeschichten. Ich bin doch kein Mörder.“
„Du bist, wenn man es genau nimmt, kein Mörder …“, Bakerfield ergötzte sich an jedem seiner Worte, „du bist ein Doppelmörder !“
Der Friedensrichter gedachte offensichtlich nicht, dem Tod eines Stallknechts seine Aufmerksamkeit zu widmen. „Das bringt uns zum Tod von Lady Barbara Bakerfield, also Ihrer Frau Mama, zurück, Eure Lordschaft. Welche Beweise haben Sie da gegen Ihren Cousin vorzubringen?“
Lord Bakerfield sah, wie Dewary mit den Zähnen knirschte. Was für eine Genugtuung, diesen sonst so selbstbewussten Mann um Fassung ringen zu sehen. Sein jüngerer Cousin war ihm viel zu viele Jahre lang als leuchtendes Vorbild vorgehalten worden. Jetzt endlich war er am Zug!
„Bitte vergessen Sie nicht den Ring, Sir! Dewarys Siegelring wurde am Rand des Sees gefunden. Wie anders sollte er dort hingekommen sein, als dass er ihn, während …“, er suchte nach den richtigen Worten, „während er mit Mama kämpfte, dort verlor? Wahrscheinlich hat sie ihn ihm in Todesangst vom Finger gerissen!“
„Das ist doch ausgesprochener Blödsinn!“ Wieder wurde Dewary mit eiserner Hand am Aufstehen gehindert. „Du weißt genau, dass das nicht der Fall war. Ich habe den Ring meiner Verlobten gegeben, als ich letzten Herbst wieder ins Feld einrückte.“ Er blickte zu Lady Bakerfield hinüber und spuckte jedes seiner Worte aus: „Als Unterpfand meiner Liebe!“
Lord Streighton setzte sich kerzengerade in seinem Sessel auf. „Ihrer Verlobten, Sir? Gestatten Sie mir bitte die Bemerkung, dass ich von einer etwaigen Verlobung bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht unterrichtet wurde. Wir werden das Mädchen befragen, sicher kann sie dies bestätigen, Major. Wer ist denn die Glückliche?“
Auch Bakerfield wandte sich mit einem spöttischen Ton in der Stimme seinem Cousin zu. „Ja, wirklich, Dewary, verrate uns den Namen der Glücklichen!“
Hätte er nicht vorausgeahnt, dass ihn die Hand des Friedensrichters erneut festhalten würde, er wäre seinem Cousin an die Gurgel gesprungen. „Frag doch nicht so
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