Das Geheimnis von Digmore Park
ich euch keinen vergifteten Tee zu trinken angeboten!“
Lord Bakerfield stellte seine Tasse klirrend ab, konnte die Augen aber nicht von seiner Frau wenden. „Aber warum bloß, Louise?“
Diese hatte unterdessen ihre Stimme wiedergefunden. „Merkst du denn nicht, was dein Onkel mit seinen völlig haltlosen Anschuldigungen bezweckt? Er will davon ablenken, dass es sein Sohn ist, um den es hier geht. Dewary ist der Mörder, dessentwegen der Friedensrichter heute hier ist. Sie haben es gehört, Lord Streighton, Dewary hat nichts zu seiner Verteidigung vorzubringen.“
Lord Bakerfield stand nicht an, ihr beizupflichten. „Sie haben meine Frau gehört, Sir! Major Dewary ist der Mörder meiner Mutter. Nehmen Sie ihn fest und führen Sie ihn der gerechten Strafe zu!“
Sir Streighton hob abwehrend die Hand. „Einen Augenblick, Mylord, ich bitte Sie. Bevor ich jemanden wegen Mordes verhaften kann, brauche ich eine Leiche.“
Lord und Lady Bakerfield sahen den Friedensrichter an, als hätte er den Verstand verloren. „Sir, wir haben meine Mutter bereits vor Wochen beigesetzt. In Ihrer Anwesenheit, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.“
„Ich habe mir die Freiheit genommen, die letzte Ruhestätte aufgraben und den Sarg öffnen zu lassen …“
„Wie konnten Sie nur, Sir! Ich hätte zu so einem Vorgehen niemals meine Zustimmung gegeben. Sie haben die Totenruhe meiner Mutter verletzt!“, rief Lord Bakerfield aus, noch in der Hoffnung, dass der Friedensrichter nur bluffte und nichts von seinen Worten wahr war.
„Seine Lordschaft hatte meine Zustimmung“, warf Lord Digmore ein. „Es geschah auf meinem Friedhof, an meinem Familiengrab, es handelte sich um meine Schwester. Ich hoffe, du verzeihst, dass ich da deine Zustimmung für verzichtbar gehalten habe.“
Dewary konnte nicht umhin, seinen Vater bewundernd anzusehen. Allerdings: Was sollte das Ganze bedeuten? Warum hatte man es für nötig erachtet, die arme Tante Barbara wieder auszugraben?
„Wir haben mit dem Öffnen des Grabes gewartet, bis die Burschen, die Sie aus Worthing hierherbeordert hatten, wieder abgezogen waren, Lady Bakerfield. Dieser Shiffton allein konnte schlecht das Fenster von Major Dewary im Auge behalten, Ihnen als Liebhaber für Ihren mittäglichen Schönheitsschlaf dienen und auch noch das Grab bewachen, nicht wahr?“
Lord Digmores in so freundlichem Tonfall vorgebrachte Worte hatten eine durchschlagende Wirkung. Lord Bakerfield lief zu seiner Frau, ergriff sie an den Schultern, um sie zu schütteln, und überhäufte sie mit Fragen, die sie entweder nicht beantworten konnte oder nicht beantworten wollte. Stattdessen brach sie in bitterliches Schluchzen aus.
Der Earl beschloss, über beide hinwegzusehen. „Es wird dich freuen zu hören, mein Sohn“, wandte er sich an Dewary, „dass es sich bei der Leiche, die ausgegraben wurde, nicht um deine Tante handelt!“
Ob diese Nachricht den Major erfreute? Es fielen ihm Berge von Steinen von seinem Herzen!
„Andererseits ist es natürlich sehr traurig, dass der arme Paul sein Leben für dieses Ränkespiel lassen musste! Ich habe …“, setzte er, an Lady Bakerfield gewandt, hinzu, „übrigens dafür gesorgt, dass unser Gärtner, Mr. Hammond, Digmore Park verlässt. Ich vermutete bereits damals, dass Paul durch Ihre Hand etwas zugestoßen war, und wollte nicht, dass Hammond das gleiche Schicksal erleidet!“
„Paul ist nicht durch meine Hand gestorben! Das war seine!“ Mylady wies mit dem Zeigefinger auf ihren Gatten. „Und er hat auch den armen Shiffton auf dem Gewissen!“
„Das ist ja bemerkenswert!“, fand Sir Streighton, froh, dass ihm seine Arbeit so leicht gemacht wurde.
„Was ich noch viel aufschlussreicher fände“, meldete sich Dewary zu Wort, „wenn Tante Barbara nicht im Sarg lag, wofür ich Gott von Herzen danke, wo ist sie denn dann?“
In diesem Moment wurde die Durchreiche zum gelben Salon, die bisher nur einen Spaltbreit offen stand, gänzlich zur Seite geschoben.
„Frederick, ich bin hier!“
35. Kapitel
Der Earl of Digmore hatte sich erhoben und war seiner Schwester entgegengeeilt. „Barbara, wie schön, dich zu sehen! Leiste uns doch ein wenig Gesellschaft!“ Und mit einem Blick in den gelben Salon zu den wartenden Damen Portland bat er noch um ein wenig Geduld.
Lady Barbara trat langsam in den Jagdsalon. Sie trug ein Tageskleid in sattem Blau, ihre dunklen, von einzelnen grauen Strähnen durchzogenen Haare schmückte ein zartes
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