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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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dem Dachboden mit einem gut ziehenden Kamin, der ihn warm auch durch die kältesten Wintertage brachte. Dewary wünschte den Damen eine gute Nacht, verbeugte sich und beeilte sich, dem Diener zu folgen.
    Stunden später lag er in seinem neuen Bett, die Arme unter seinem Kopf verschränkt und starrte zur Zimmerdecke. Was für ein Tag! Was für eine groteske Situation! Bis vor kurzem war er noch Offizier der königlichen Armee gewesen. Irgendwann würde er Erbe eines Titels und ausgedehnter Ländereien sein. Und jetzt verdingte er sich als einfacher Stallmeister. Dennoch: Es war die richtige Entscheidung. Hier hatte er eine Vielzahl an Arbeiten zu erledigen, die ihn von unnötigen Grübeleien abhalten würden. Obendrein war er hier sicher. Niemand würde ihn auf diesem Landsitz vermuten. In einem Haus, das von einer Frau geleitet wurde! Was hieß, von einer Frau? Von einer Furie! Er hatte seinen Ohren nicht getraut. Die Geschichte schien sich auf geradezu gespenstische Weise zu wiederholen. Nur dass er diesmal nicht der Betroffene war, sondern nur ein heimlicher Zeuge des Geschehens. Auf der einen Seite eine bildhübsche, aber eiskalte Frau, die ungerührt eine herbe Abfuhr erteilte. Auf der anderen Seite der Verehrer mit dem gebrochenen Herzen. Miss Porter hatte fast die gleichen Worte verwendet wie dereinst Miss Abigail. Wahrscheinlich waren sich die beiden auch in anderen Charakterzügen ähnlich. Dewary stand auf und ging zum Fenster hinüber. Ruhig lagen Wiesen und Wälder im fahlen Schein des zunehmenden Mondes. Wie friedlich alles war. Seltsam, in all den Jahren auf dem Kontinent hatte er nicht so starkes Heimweh verspürt wie in diesem Augenblick. Und noch nie erschien ihm Digmore Park so unerreichbar. Wie es Vater wohl erging? Wenn er ihn nur wenigstens kurz aufsuchen könnte, um ihm zu versichern, dass er sich nichts zuschulden hatte kommen lassen. So konnte er nur hoffen, dass der alte Herr ihm vertraute. Was Vivian wohl von ihm dachte? Sicher würden die bösen Gerüchte über kurz oder lang auch an ihr Ohr dringen. Er war immer so stolz darauf gewesen, ein Frauenkenner zu sein. Doch Vivian wusste er nur schwer einzuschätzen. Sie kannten sich noch nicht lange genug und hatten sich immer nur für wenige Stunden gesehen. Wie hätte sie da Vertrauen zu ihm aufbauen sollen? Er konnte selbst kaum glauben, dass er verlobt war. Lange Zeit war er auf dem Heiratsmarkt sehr begehrt gewesen: Offizier, vermögend, mit Aussicht auf noch mehr Vermögen und darüber hinaus auch noch einen Titel – das war eine Kombination, die die Frauen der Gesellschaft liebten! Dewary lächelte, doch in dieses Lächeln mischte sich Bitterkeit. Wann immer er bei seinen Heimatbesuchen gesellschaftliche Anlässe mit seiner Gegenwart beehrt hatte, hatten sich Mütter und Tanten heiratswilliger Mädchen geradezu überboten darin, ihn mit ihren Töchtern und Nichten bekannt zu machen. Die Blicke der jungen Damen, so sehr sie auch vorgaben, sittsam die Augen zu Boden zu schlagen, waren in unbeobachteten Momenten nicht selten einladend, wenn nicht gar aufreizend gewesen. Miss Elizabeths Blick jedoch war alles andere als einladend gewesen. Er rief sich zur Ordnung. Warum sollte ein adeliges Fräulein einem Stallmeister auch derartige Blicke zuwerfen? Das wäre außerdem das Letzte gewesen, was er sich gewünscht hätte! Freilich, so unnahbar und widerspenstig hätte sie sich auch wieder nicht zu verhalten brauchen. Gut, als sie da im Gras saß, mit dem schmerzenden Bein, da wirkte sie rührend in ihrer Hilflosigkeit. Ein Mädchen von unverkennbarem Liebreiz. Ha, Liebreiz! Er fantasierte anscheinend schon. Zeit, dass er zu Bett ging und der Schlaf seine Gedanken wieder in geordnete Bahnen lenkte. Seine neue Herrin war wie Miss Abigail, so viel stand fest. Und sie hatte jene Behandlung verdient, die er dieser damals gerne hätte angedeihen lassen, als sie ihn so brüsk zurückgewiesen hatte. Dennoch, Dewary streckte sich auf seinem Bett aus, wenn er eines wusste, dann, dass man seinen Dienst und die Sympathie für seinen Befehlshaber auseinanderhalten musste. Mochte er Miss Elizabeth auch geringschätzen, so würde er seine Arbeit dennoch mit jenem Engagement und mit jener Energie verrichten, die ihm im Feld so manche Auszeichnung eingebracht hatte.
    Am nächsten Morgen rief er die drei Burschen von Stall und Garten in den Innenhof des Gebäudes, ließ sie der Größe nach Aufstellung nehmen und verkündete ihnen die Regeln, die nunmehr zu

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