Das Geheimnis von Digmore Park
tun.“
„Einen Augenblick, bitte“, Elizabeth hob abwehrend die Hände, „das geht mir nun doch etwas zu schnell. Ich bin Ihnen äußerst dankbar, Mr. Bishop, dass Sie so schnell gehandelt haben. Doch sagen Sie: Wer ist Mr. Michaels? Hat er Referenzen?“
Ein spöttischer Blick aus tiefblauen Augen traf den Pfarrer.
„Darf ich Ihnen aufhelfen, Miss Porter. Es geht nicht an, dass Sie länger auf dem kühlen Erdboden sitzen. Mr. Michaels!“, Mr. Bishop wies auf die kleine Gartenbank, die unter einem knorrigen Birnbaum an der Hauswand stand. „Bringen Sie dieses Ding da zu uns herüber.“
Elizabeth ließ sich nur zu gerne helfen. Zu Füßen von zwei Männern – eine derartige Lage trug nicht eben dazu bei, dass eine Lady mit dem nötigen Selbstbewusstsein auftreten konnte. Auch wenn der Knöchel höllisch schmerzte, jetzt fühlte sie sich schon viel wohler. Der Pfarrer nahm an ihrer Seite Platz. „Mr. Michaels war Stallmeister im Haus meines Freundes Andrew McPherson.“
Diese Lüge kam ihm glatt über die Lippen. Leider gab sich Elizabeth nicht damit zufrieden. „Und? Was ist geschehen, dass er das nun nicht mehr ist?“
Der Pfarrer richtete sich auf. „Mr. McPherson befindet sich derzeit in Spanien, um als Offizier unserer glorreichen Armee zu dienen. Noch aus unserer Schulzeit in Eton verbindet uns eine langjährige Freundschaft. Mr. McPherson hat mich gebeten, einen neuen Platz für seinen Stallmeister zu finden, und ihm das allerbeste Zeugnis ausgestellt.“
Elizabeth hielt dem Geistlichen auffordernd ihre rechte Hand entgegen. „Das klingt sehr erfreulich. Ist es unverschämt, Reverend, wenn ich Sie bitte, mir dieses Zeugnis zu zeigen?“
Ein kleines Lachen war zu hören. Wie kam Mr. Michaels dazu zu lachen? Es klang ein wenig schadenfroh. Mr. Bishop schenkte ihm einen strafenden Blick, straffte seine Schultern und setzte jene erhabene Miene auf, mit der er schon so manch reuiges Schäfchen seiner Gemeinde zur Ordnung gerufen hatte. „Miss Elizabeth, ich nehme an, dass Ihnen mein Wort genügt, oder wollen Sie ernsthaft andeuten, dass Sie mein Urteil in Zweifel ziehen?“
„Nein, selbstverständlich genügt mir Ihr Wort, Reverend!“, beeilte sie sich, den Geistlichen milde zu stimmen. Nun war es an Mr. Bishop, seinen Freund mit einem triumphierenden Blick zu bedenken.
„Also gut, Mr. Michaels, Sie sind eingestellt. Darf ich die Herren nun bitten, mir ins Haus zu helfen?“
Hatte sie denn eine andere Wahl? Woher sonst sollte sie einen Stallmeister nehmen, wenn sie Mr. Bishops Angebot ausschlug? Zudem konnte sie davon ausgehen, dass ein Mann, den er empfahl, ein guter, aufrechter Christ war. Der nicht mordete, nicht brandschatzte, und wenn sie Glück hatte, auch nicht stahl. Und das war mehr, als man von vielen Bediensteten in der heutigen Zeit erwarten konnte.
So fand dieser unglaubliche Tag doch noch ein gutes Ende. Elizabeth humpelte, auf die Schultern der beiden Männer gestützt, ins Haus. Dankbar sank sie auf das Sofa vor dem Kamin und ließ es zu, dass ihr die Kammerzofe nach Mr. Michaels genauen Anweisungen aus einem Leinentuch und frischem Quark eine kalte Kompresse für ihren linken Knöchel anfertigte. Lady Portland bedankte sich überschwänglich beim Pfarrer für all seine Hilfe.
„Bleiben Sie doch noch bei uns, Reverend, wenn es Ihre Zeit erlaubt. Wir begeben uns in wenigen Minuten zu Tisch.“
Der Geistliche bedankte sich höflich für die freundliche Einladung, lehnte jedoch mit großem Bedauern ab. „Ich muss noch im Bischofsamt vorbeischauen“, verkündete er, „Verpflichtungen, Mylady, ich hoffe, Sie verzeihen.“
Das war nicht einmal gelogen. Denn auch wenn er an diesem Abend nichts anderes mehr wollte als eine Tasse heißer Suppe und ein warmes Bett, so würde er doch am nächsten Tag bei der Kathedrale vorsprechen müssen, um eine Aushilfe für die Tage seiner Abwesenheit zu erbitten. Hoffentlich war man in der Lage, seinem Wunsch rasch nachzukommen. Er wollte so schnell wie möglich nach Digmore Park, um seinen Freund nicht unnötig lange auf die Folter zu spannen.
Joseph wurde gerufen, um seinen neuen Vorgesetzten zu den Stallungen zu bringen, ihn mit dem Personal des Hauses bekannt zu machen und ihm schließlich auch das Zimmer zu zeigen, das künftig seine Bleibe sein würde. Die Burschen schliefen über den Stallungen. Elizabeths Großvater hatte jedoch verfügt, dass der Stallmeister von Portland Manor im Herrenhaus nächtigte, in einem Zimmer unter
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