Das Geheimnis von Digmore Park
eine Hübsche und scheint noch sehr jung zu sein. Aber ihr Cousin ist ja auch nicht gerade alt.“
„Was hast du über die Wachen herausgefunden?“, erkundigte sich Dewary, ohne sich länger mit der Gattin seines Cousins aufzuhalten, „stehen tatsächlich überall Bewaffnete herum?“
Charlie nickte ernst. „Ich wünschte, Major, ich könnte Ihnen etwas anderes erzählen, aber da stehen mindestens ein halbes Dutzend! Überall auf dem Gelände und auch noch rund ums Haus. Anscheinend hat man schon Wind davon bekommen, dass Sie nicht mehr bei der Armee sind. Der Butler machte vorgestern so eine Bemerkung. Natürlich sprach er nicht mit mir, sondern mit dem Stallmeister. Aber ich habe meine Ohren offen, Major, das können Sie sich vorstellen.“
Dewary ließ sich alles, was sein Bursche gesagt hatte, durch den Kopf gehen und schwieg eine Weile nachdenklich. „Und was ist mit meinem Zimmer, Charlie? Konntest du dich hineinschleichen, um die Adresse zu holen?“
„Ach, woher denn!“ Charlie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Zweimal habe ich versucht, meinen Fuß in das Herrenhaus zu setzen, und beide Male hat mich der Butler hochkant hinausgeworfen. Auf ein drittes Mal will ich es nicht ankommen lassen, Major, sonst bin ich meine Stelle los.“
Dewary seufzte. „Nein, das wäre wirklich dumm, Charlie. Mir wird schon etwas anderes einfallen, um an die Anschrift zu kommen.“ Das war mit weit mehr Zuversicht gesprochen, als er tatsächlich empfand. „Reite du wieder zurück, bevor man deine Abwesenheit bemerkt. Ich denke mir eine Erklärung für Miss Porter aus, warum Jupiter weiterhin im Stall fehlt.“
Dann begleitete er Charlie aus dem Stall und blickte ihm so lange nach, bis Jupiter in dem kleinen Wäldchen hinter dem Haus verschwunden war. Er war dabei so in seine Gedanken vertieft, dass er den Reiter nicht hörte, der in schnellem Galopp die Auffahrt hinaufpreschte. Erst als das Pferd schon fast hinter ihm stand, wurde er gewahr, dass er nicht mehr allein war. Erschrocken fuhr er herum und erstarrte.
„Ja, wen haben wir denn da?“ Der Reiter hatte angehalten und hievte sich aus dem Sattel. „Den guten alten Major Dewary! Das nenne ich aber eine Überraschung!“
Nun standen sich die beiden Männer Auge in Auge gegenüber, und Dewary konnte sich nur dafür verfluchen, so unvorsichtig gewesen zu sein. Der Mund des Reiters verzog sich zu einem Lachen, und dieses Lachen war alles andere als angenehm. „Alle Welt sucht ihn, und hier hat er sich versteckt. Hat Zuflucht gefunden bei den Rockschößen der schönen Miss Porter. Na, wenn das keine Heldentat ist!“
Seine Stimme triefte geradezu vor Hohn. Dewary hatte nicht übel Lust, auch diesen Mann mit einer rechten Geraden zu Boden zu schicken. Doch natürlich wusste er, dass Linworth, vielmehr Henry Fenton, Viscount of Linworth, stadtbekannter Schönling und ein Schnösel sondergleichen, als Gegner ein ganz anderes Kaliber war als Mr. Nuckels, der Geldverleiher.
„Guten Tag, Linworth, was bringt dich hierher?“
Im selben Moment hatte er entschieden, so zu tun, als wüsste er nichts von der unseligen Verbindung zwischen Linworth und Lord Portland. Besser, er stellte sich unwissend, um etwas Zeit zu gewinnen.
Seine Lordschaft betrachtete eingehend seine Schuhspitzen. „Das wusste ich bis vor wenigen Minuten auch noch nicht so genau. Deine Anwesenheit, mein lieber Freund, hat mir die Dinge jedenfalls viel einfacher gemacht. Ich danke dir dafür!“ Dann musterte er sein Gegenüber langsam von oben bis unten. „Mir scheint, du verdingst dich hier als Knecht, Dewary. Das finde ich, gelinde gesagt, in höchstem Maße originell! Die Kleider stehen dir gut. Alles erscheint mir so praktisch und solide. Doch jetzt rasch, rasch, zu den Pferden zurück!“ Er machte eine Handbewegung, als würde er eine Schar Hühner verscheuchen. „Du darfst deine Pflichten nicht vernachlässigen.“
Dewarys Lust, Linworth mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, wuchs ins Unermessliche. Doch er wandte sich zähneknirschend um, fest entschlossen, den ungebetenen Besucher weder eines weiteren Blickes noch eines weiteren Wortes zu würdigen, sondern hoch erhobenen Hauptes in die Stallungen zurückzukehren. Das spöttische Lachen, das ihn dabei verfolgte, machte ihm den Weg nicht eben leichter.
„Ach, richtig, Dewary, wenn du schon einmal da bist, kannst du dich auch gleich nützlich machen!“, rief ihm Linworth nach, „Thunderstorm muss abgerieben werden.“
Der
Weitere Kostenlose Bücher