Das Geheimnis von Digmore Park
hierbleiben und ausharren, bis Billy volljährig ist. Und, Mama, so leid es mir tut, ich kann hier nicht ohne deinen Beistand leben. So bist du auf Portland Manor genauso unabkömmlich, wie ich es bin.“
Mylady wirbelte ihre Hände theatralisch durch die Luft. „Larifari! Jedermann ist ersetzbar, wie mein Papa, dein Großvater, Elizabeth, stets zu sagen pflegte. Unser Verwalter, wie hieß er doch gleich …, soll dir deine Pflichten aus den Händen nehmen.“
Das war wieder einmal typisch Mama, Hirngespinste zu erfinden und der Wirklichkeit nicht ins Auge zu sehen.
„Mr. Barnsley ist zu alt, Mama, das weißt du genau. Er ist fast blind und keinesfalls in der Lage, die Geschicke von Portland Manor zu lenken.“
Lady Portland ließ sich nicht in ihren Plänen beirren. „Wir werden einen neuen Verwalter einstellen. Es ist ohnehin höchste Zeit dafür. Zu dumm, dass ich nicht schon früher darauf gekommen bin. Ich werde umgehend an meinen Bruder schreiben und ihn bitten, uns einen geeigneten Mann zu schicken.“
Allein schon die Vorstellung, dass der behäbige Onkel Justin seine Ausmaße in Bewegung setzte, um sich auf die Suche nach einem Verwalter zu machen, war so absurd, dass Elizabeth nicht anders konnte, als zu lachen. So gern der gutmütige alte Herr seine Schwester und seine Nichte auch haben mochte, er war gewiss nicht bereit, auf seine Bequemlichkeit zu verzichten und noch mehr Personal einzustellen. Abgesehen davon war die Idee an und für sich sehr verlockend. Einen neuen Verwalter einzustellen, nicht mehr selbst für alles verantwortlich zu sein! Welch herrliche Aussichten! Zwei tiefblaue Augen schoben sich in ihre Gedanken. Würde Mr. Michaels zum Verwalter taugen? Er verfügte über erstaunlich gute Kenntnisse in allen Belangen, die das Führen eines Herrenhauses verlangte. Mylady bemerkte durchaus, dass ihre Tochter nicht sofort widersprach, und drückte Elizabeth glücklich ihre Hand auf den Unterarm. „Du wirst sehen, meine Liebe, wir werden eine großartige Zeit miteinander verbringen. Ach, was für ein Abenteuer!“
Für Lady Portland war der neue Verwalter damit schon so gut wie gefunden, und in Gedanken sah sie Elizabeth bereits durch die vornehmsten Ballsäle der Großstadt tanzen. Sie selbst stand am Rande des Parketts in fröhliche Plaudereien mit den Damen der Gesellschaft vertieft und sammelte geschmeichelt Komplimente über ihre zauberhafte Tochter ein. Da platzte jemand unerwartet in ihre kühnen Träume hinein.
Die Haushälterin trat ein. „Entschuldigen Sie bitte, Mylady, Lord Linworth ist hier, um Ihnen seine Aufwartung zu machen.“
Elizabeth hielt die Luft an. Dieser Mann hatte Nerven! Sie dachte gar nicht daran, ihn zu empfangen! Leider war Mama ganz anderer Ansicht.
„Lord Linworth? Ach, der angenehme junge Mann, der neulich als Billys Gast einige Tage bei uns verbrachte. Wie schön, ihn wiederzusehen! Worauf warten Sie noch, bitten Sie seine Lordschaft herein!“
Elizabeth setzte sich kerzengerade auf. Sie fand es allerhand, dass dieser Filou es noch wagte, sich auf Portland Manor blicken zu lassen. Sie hatte ihrer Mutter zwar davon erzählt, dass die Freundschaft zu Lord Linworth Billy um ein Haar viel Geld gekostet hätte, aber sie hatte keine Details erwähnt, die ihre Mutter hätten beunruhigen können. Das war möglicherweise ein Fehler gewesen.
Linworth betrat den Raum, und die Haushälterin schloss leise die Tür hinter ihm. Seine Lordschaft verbeugte sich mit angemessener Grandezza und seinem charmantesten Lächeln.
„Mylady, ich freue mich, Sie wiederzusehen! Miss Elizabeth, Ihr ergebenster Diener.“
„Die Freude ist ganz auf unserer Seite, Mylord“, begrüßte ihn Lady Portland aufgeräumt, und ihre Tochter fügte, während sie ihm höflich zunickte, in Gedanken hinzu: Ob es eine Freude sein wird, bleibt dahingestellt.
Mylady brauchte nicht erst am Glockenstrang zu ziehen. In der Dienerschaft war es allgemein bekannt, dass sie alle Gäste mit Tee und frisch gebackenem Kuchen bewirtete, und so war die Haushälterin bereits auf dem Weg in die Küche. Mylady lud ihren Gast mit einer Geste ein, Platz zu nehmen.
„So setzen Sie sich doch, Eure Lordschaft! Wie nett, dass Sie uns wieder einmal besuchen! Wie ist es Ihnen ergangen in den letzten Tagen? Sie waren bei … ja, wo waren Sie nur zu Besuch in den letzten Tagen?“
Zu Elizabeths Überraschung begann Lord Linworth, ihre Mutter in ein seichtes Geplauder über seinen Aufenthalt auf Wildrose Manor
Weitere Kostenlose Bücher