Das Geheimnis von Digmore Park
und in Deverells Haus zu verwickeln. Und hätte er ihr nicht ab und zu einen lauernden Blick zugeworfen, es hätte tatsächlich den Anschein gehabt, er wäre nur deshalb gekommen, um Mylady von ihrer Langeweile zu erlösen. Doch Elizabeth, die schweigend daneben saß, war auf der Hut, und das aus guten Gründen, wie sich herausstellen sollte.
„Eines wollte ich schon die ganze Zeit fragen, meine liebe Miss Porter.“ Lord Linworth wandte sich mit harmlosem Tonfall an Elizabeth. „Wo haben Sie wohl meinen jungen Freund Billy versteckt?“
„Aber, Mylord, wie kommen Sie denn darauf, dass wir Billy versteckt haben? Er ist doch …“
„Es ist nicht wichtig, wo er ist, Mama“, unterbrach Elizabeth ihre Mutter mit mehr Nachdruck als Höflichkeit. „Hauptsache, er ist außerhalb Ihrer Reichweite, Mylord.“ Sie gab sich Mühe, ihm im freundlichen Lächeln um nichts nachzustehen. „Sollte der Grund Ihres Besuches der sein, meinem Bruder Ihren Gruß und Ihren Dank auszurichten, so werde ich beides gerne überbringen.“
Seine Lordschaft vergaß für einen Moment sein Lächeln. „Meinen Dank!? Wofür schulde ich dem Bengel Dank? Im Gegenteil, er hat mir die Bluthunde auf den Hals gehetzt. Sie fielen über mich her, in Deverells Haus, als ich am Spieltisch endlich eine verdammte Glückssträhne hatte …“
Bevor Elizabeth noch zu einer Erwiderung ansetzen konnte, hatte Mylady das Wort ergriffen, und sie tat dies so gekonnt, dass Elizabeth ihr nur stillschweigend applaudieren konnte. „Mylord, mich dünkt, Sie haben sich eben im Ton vergriffen“, sagte sie schlicht und doch so streng, dass Linworth sich beeilte, eine Entschuldigung zu murmeln.
„Ihre Geldverlegenheiten sind sicherlich bedauerlich, dennoch haben wir damit nichts zu schaffen, Mylord“, fügte Elizabeth hinzu. Nun lächelte Linworth wieder, aber es war ein Lächeln, das ihr noch weniger gefiel als sein freundliches Dauergrinsen. Unwillkürlich sträubten sich ihr die Nackenhaare.
In dem Moment betrat die Haushälterin mit dem Teetablett den Salon. Sie rückte das Tischchen zurecht, stellte die Etagere mit den frischen Scones in die Mitte, daneben den Topf mit Clotted Cream und eine große Schale frischer, leuchtend roter Beeren. Mylady übernahm es selbst, den Tee einzuschenken, und die Haushälterin zog sich nach einer kleinen Verbeugung zurück. Linworth, nach dem langen Ritt hungrig, scheute sich nicht zuzugreifen. So vergingen die nächsten Minuten schweigend, bis er den Faden wieder aufnahm.
„So, unser lieber Billy hat also seiner großen Schwester alles gebeichtet! Natürlich finden wir das alle großartig !“ Er hob abwehrend die Hand, um ihre Widerworte im Keim zu ersticken. „Ich bin schon still! Nie käme ich auf die Idee, Sie mit meinen Angelegenheiten zu belästigen, Miss Elizabeth, das müssen Sie mir glauben!“
Elizabeth glaubte ihm freilich kein Wort. Sie schwieg weiter und wartete, welche Unverschämtheiten sie als Nächstes zu hören bekommen würden.
„Jetzt, da Sie doch ohnehin ganz andere, viel größere Sorgen haben. Der Tee ist ausgezeichnet, Mylady, herzlichen Dank!“
Während Lady Portland ratlos von ihrem Gast zu ihrer Tochter und wieder zurück blickte, hatte auch Elizabeth nicht die leiseste Ahnung, wovon Lord Linworth sprach.
„Welche Sorgen habe ich denn, Mylord? Hätten Sie die Güte, sich ein wenig deutlicher auszudrücken?“
Nun war der Hohn in Linworths Stimme nicht mehr zu überhören. Er genoss es sichtlich, sie zappeln zu lassen. „Das nenne ich aber Kaltblütigkeit, meiner Seel’! Miss Elizabeth, ich habe Sie schon immer bewundert, doch meine Bewunderung steigt mit jedem Ihrer Worte ins Unermessliche! Da beherbergen Sie einen gesuchten Mörder in Ihrem Haus, verstecken ihn vor dem Friedensrichter und damit vor der gerechten Strafe, König und Gesetz, und da sagen Sie mit einem freundlichen Lächeln, Sie hätten keine Sorgen. Meinen Respekt!“
Mylady wandte sich überrascht ihrer Tochter zu. „Elizabeth! Wovon spricht dieser Mann? Wen beherbergst du unter unserem Dach?“
Elizabeth wusste nicht, ob sie lachen oder aufschreien sollte. Begütigend legte sie ihrer Mutter die Hand auf den Arm. „Keinen, Mama, das versichere ich dir. Das ist bloß wieder einer dieser makabren, völlig unpassenden Scherze …“
Lord Linworth seufzte und tat so, als sei er zu Tode betrübt. „Ach, ach, ach, ich wollte, es wäre so. Das wollte ich wirklich. Doch die Wahrheit ist leider grausam. Kann es sein,
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