Das Geheimnis von Digmore Park
heilfroh, dass die Sache gut ausgegangen ist, Miss Porter. Und wenn Sie das nächste Mal einen Ausflug zum Hafen machen wollen, dann sagen Sie mir bitte Bescheid.“
Während er dies sagte, wurde ihm jäh bewusst, dass er nicht mehr lange in ihren Diensten stehen würde. Wenn Charlie mit der Adresse von Mr. Jennings zurückkam, dann würde er sie verlassen, um seine Weste wieder weiß zu waschen.
„Haben Sie denn wirklich keinen männlichen Verwandten, an den Sie sich bei derartigen Unannehmlichkeiten wenden könnten?“, fragte er daher. „Einen erwachsenen männlichen Verwandten, meine ich damit natürlich.“
Elizabeth konnte nicht anders, sie fing an zu kichern. „Jetzt hören Sie sich gerade so an wie Clara.“
Dewary hatte mit allem gerechnet, nicht jedoch mit dieser Antwort. „Wer bitte ist Clara?“
„Meine beste Freundin.“
„Also, Sie sind wirklich arg! Mir hat noch nie eine junge Dame vorgeworfen, ich würde mich wie ihre Freundin anhören!“, sagte er mit gespielter Entrüstung. So seltsam seine Lage auch war und so verfahren, so sehr begann das Gespräch mit Miss Porter ihn zu amüsieren. „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, ich benehme mich wie ein Mädchen ?“
Er wandte sich ihr zu und blinzelte mit den Augen. Geradeheraus lächelte sie ihm ins Gesicht. „Ihr Faustschlag hatte zumindest nichts Mädchenhaftes an sich.“
Dann fingen sie beide an zu lachen.
„Wer war eigentlich der Mann, dem Sie Jupiter anvertraut haben?“, erkundigte sich Elizabeth ein paar Minuten später.
Wie schnell sich das Blatt doch manchmal wendete! Jetzt war es an Dewary, sich verlegen aus der Affäre zu ziehen. Jetzt hatte er ein Geheimnis, das er ihr nicht enthüllen konnte.
„Ein … Freund. Er musste dringend …“ Ja, was musste der gute Charlie denn so dringend? Dewary blickte in Elizabeths Gesicht, das ihn hinter dem Schleier erwartungsvoll ansah. Der Schleier gab schließlich den Ausschlag.
„Er musste dringend zu einer Beerdigung. Sein Onkel ist überraschend gestorben.“
Dewary nickte mehrfach, um seine Worte zu untermauern.
„Charlie kommt nächsten Freitag nach Portland Manor, um das Pferd zurückzubringen. Sie brauchen sich keine Sorgen machen, mein … Freund ist ein exzellenter Reiter. Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Eigenmächtigkeit.“
Sein Lächeln war so schuldbewusst und zugleich so charmant, dass sie ihm in diesem Augenblick alles verziehen hätte. Sie setzte eben an, ihn zu fragen, was er eigentlich in der Hafenspelunke zu tun gehabt hatte, ließ es aber dann doch auf sich beruhen.
18. Kapitel
Die nächste Woche verging ohne besondere Vorkommnisse, gerade so, als wäre sie die Ruhe vor dem sich zusammenbrauenden Sturm. Nur eines hatte sich seit dem Vorfall in Southampton entscheidend verändert: Dewarys Meinung über Miss Porter. Es freute ihn, dass sie ihm vertraute und ihn mehr und mehr in die Belange von Portland Manor mit einbezog. Er genoss es, an ihrer Seite über die Felder und durch den angrenzenden Wald zu reiten. Noch nie hatte er eine Lady erlebt, die im Damensattel ein derart flottes Tempo vorlegte und ohne Zaudern auch die höchsten Hecken überwand. Hatte er sie anfangs für herrisch gehalten, so bewunderte er sie jetzt dafür, mit welcher Souveränität sie all die Pflichten erledigte, die der herrschaftliche Landsitz abverlangte. Jeder Tag, der ins Land zog, ließ seine Furcht geringer werden, unversehens Lord Linworth zu begegnen, und er bewegte sich auf Portland Manor gerade so frei, als wäre er hier zu Hause. Natürlich galt seine Sehnsucht weiterhin Digmore Park, doch er hatte es nicht mehr so eilig. Es würde ihm schwerfallen, hier alles aufzugeben, und es nagte an seinem Gewissen, wenn er daran dachte, dass er Miss Porter mit ihren Pflichten alleinlassen würde. Wie vertrauensselig sie war, und wie tief er dieses Vertrauen durch seine Abreise enttäuschen würde! War es da ein Wunder, dass in seinen Träumen statt einer schmalen kleinen Gestalt mit brünetten, à l’Aphrodite hochgesteckten Haaren immer öfter eine junge Frau mit blonden Locken und einem offenen Lächeln in den Vordergrund trat? Auch ihre Gespräche waren viel tiefgründiger. Je mehr Zeit er mit Elizabeth verbrachte, desto blasser wurde das Bild seiner Verlobten, und mehr als einmal musste er sich zur Ordnung rufen: Sobald sich alles aufgeklärt hätte, würde er nach Worthing fahren und den Tag der Hochzeit festlegen. Vivian würde eine wunderschöne Braut sein und eine
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