Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
die Hüfte, damit sie ihre Autotür öffnen kann. »Er hat eine schlimme Lungenentzündung und musste nach Monroe ins Krankenhaus.«
Ich suche Halt am Kofferraum. »Wie geht es ihm?«
Sie schüttelt den Kopf, stellt den Karton auf den Beifahrersitz und stößt die Tür mit der Hüfte zu. »Sein Körper kämpft schon mit dem Krebs. Das verschlimmert alles.«
»Ich möchte ihn gerne sehen«, murmele ich und drehe mich zu meinem Auto um.
»Im Moment darf er keinen Besuch haben, Ella«, sagt sie mitfühlend. »Sein Immunsystem ist zu schwach.«
Ich überlege. »Würden Sie mir Bescheid geben, wann ich zu ihm kann?«
Sie lächelt kurz, doch der Ausdruck in ihren Augen gefällt mir nicht. »Ja, Kleines, mach ich.«
Ich fahre rückwärts aus der Einfahrt, beobachte, wie Amy alles abschließt, und fühle mich schrecklich hilflos. Ich will weglaufen, zurück nach Vegas oder irgendwo anders hin, Hauptsache weit weg, sodass ich das hier nicht fühlen muss.
Aber ich fliehe nicht.
Ich versuche, mich wegen Grady nicht verrückt zu machen, doch ich muss immer wieder an ihn denken. Liegt er in einem Krankenhauszimmer mit sterilen Wänden? Oder hat Amy ihm einen Karton mit seinem Kram geholt, um es ihm netter herzurichten?
»Was ist das für ein Song?«, fragt Lila. Sie liegt bäuchlings auf meinem Bett und blättert in einer Zeitschrift.
»›Black Sun‹ von Jo Mango.« Ich spitze einen meiner Kohlestifte über dem Papierkorb an.
»Der ist traurig.« Sie runzelt die Stirn und stützt ihr Kinn in die Hand. »Bringt mich zum Heulen.«
»Es ist ein guter Song zum Zeichnen.« Ich widme mich wieder meiner Skizze auf dem Boden. Die dunklen Linien bilden Teile eines zerbrochenen Spiegels, und ich beginne, eine Gitarre in eine der Scherben zu zeichnen. Wenn ich fertig bin, soll jede Scherbe etwas von meinem Leben spiegeln, aber bis dahin brauche ich wohl noch einige Zeit.
Lila hebt den Kopf von ihrer Hand und sieht aus dem Fenster. »Hast du das auch gehört?«
Draußen wird gerufen, laut genug, dass es die Musik übertönt.
Ich schattiere gerade eine Ecke mit dem kleinen Finger. »Das sind wahrscheinlich bloß die Nachbarn.«
Das Rufen wird noch lauter. Lila setzt sich auf und zieht den Vorhang zurück. »Ella, vor der Einfahrt streiten sich ein Mann und eine Frau.«
Ich lege den Stift hin und gehe hinüber ans Fenster. Ein kleiner fetter Mann und eine große schlanke Frau schreien sich direkt vor unserem Vorgarten an.
»Das sind die Andersons«, erkläre ich. »Das machen die immer.«
»Wollen wir nichts unternehmen?«, fragt sie ängstlich. »Er schlägt sie vielleicht.«
»Ich regele das. Du bleibst hier.«
Barfuß und in Boxershorts und Top gehe ich die Treppe hinunter und stecke den Kopf zur Tür heraus. Die Andersons sind nicht mehr auf der Straße.
Aus Michas Zimmer nebenan schallt »Behind Blue Eyes« von The Who. Diesen Song spielt er in Endlosschleife, wenn er deprimiert ist.
Im Haus brennt kein Licht, nur das in der Garage leuchtet hell, und aus dem Tor ragt das Heck seiner Chevelle. In der Stoßstange ist eine große Delle, die vorher nicht da war, und der Kotflügel ist an einer Ecke zerkratzt.
Ich gehe die Stufen hinunter, deren Beton sich an meinen nackten Füßen eiskalt anfühlt. Durchs Garagenfenster sehe ich Micha. Er hat eine Zigarette im Mund und sucht etwas auf dem Regal. Mein Puls wird schneller, während ich ihn beobachte, und ich muss mich anstrengen weiterzuatmen.
Er dreht sich mit einer Schachtel in der Hand vom Regal weg und sieht zum Fenster, als hätte er gespürt, dass ich hier draußen bin. Unsere Blicke begegnen sich. Micha stellt die Schachtel ab und verschwindet.
Sekunden später kommt er aus der Garage. Seine Jeans hängt tief auf seinen Hüften, und das Verandalicht beleuchtet seinen Oberkörper. Es scheint auf seine Muskeln und die Kursivschrift des Tattoos auf seiner Rippe.
»Wann hast du wieder angefangen zu rauchen?«, frage ich von meiner Einfahrt aus.
Er nimmt die Zigarette aus dem Mund, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Vor ein paar Tagen bin ich rückfällig geworden … Ist wohl einfach zu viel los, schätze ich.«
Ich mache einige kleine Schritte auf den Zaun zu. Mein Herz pocht wie wild. »Ist es wegen deines Dads?«
Micha ist jetzt bei dem Rasenstreifen direkt am Zaun. »Woher weißt du davon?«
Ich bleibe auf der anderen Seite stehen und schlinge die Arme um meinen Oberkörper, weil mir kalt ist. »Ethan hat es mir erzählt.«
Genervt schüttelt er den
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