Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
abzufangen.
»Ethan, kannst du bitte mit mir reden?«, rufe ich. Meine Stimme hallt von den Wänden, und automatisch schaue ich mich um, ob noch jemand hier ist. »Ich weiß, dass er dir gesagt hat, wo er hinwill, also kannst du es mir bitte verraten? Oder mir zumindest sagen, ob es ihm gut geht?«
Plötzlich taucht Ethan aus dem Gang einige Reihen weiter auf. »Er will nicht, dass ich es dir sage.«
Das versetzt mir einen Stich. »Ich muss es wissen. Ich mache mir Sorgen um ihn.«
Ethan lehnt einen Ellbogen auf die Regalecke neben sich. »Tja, dann weißt du jetzt, wie es ihm die letzten acht Monate ging.«
Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. »Bitte, kannst du mir einfach sagen, wo er ist? Es bringt mich um, nichts zu wissen.«
Er sieht mich prüfend an. Offenbar ist er unschlüssig, ob ich es ernst meine. »Er ist zu seinem Dad gefahren.«
Mir steht der Mund offen vor Staunen. »Seit wann weiß er, wo sein Dad ist?«
Ethan lehnt sich seufzend an das Regal. »Vor ein paar Wochen hat sein Dad angefangen, bei ihnen anzurufen. Er wollte mit Micha sprechen. Aber Micha wollte nicht mit ihm reden. Dann, vor einigen Tagen, hat er beschlossen, zu ihm zu fahren.«
»Ist er noch dort?«, frage ich.
»Nein«, antwortet er zögerlich. »Sagen wir mal, der Besuch ist nicht so super gelaufen.«
Ich habe einen Kloß im Hals. »Ist mit ihm alles in Ordnung?«
»Weiß ich nicht genau … Das letzte Mal, dass ich von ihm gehört habe, war er bei alten Freunden drüben in Farrows Park.«
»Kommt er wieder?«
»Auch das weiß ich nicht genau.«
Ich sacke auf den kalten Estrichboden und stütze den Kopf in die Hände. »Warum hat er mir nichts gesagt?«
Ethan schnaubt und setzt sich neben mich. »Weil er nicht wollte, dass du dich neben deinen eigenen Problemen auch noch mit seinen rumschlagen musst. Er macht sich dauernd Sorgen um dich. Das nervt schon.« Ich sehe finster zu ihm auf, doch er boxt mich lachend. »Was denn? Immerhin bin ich der, der sich das die letzten acht Monate anhören durfte. Irgendwann war ich so weit, dass ich mir die Ohren abschneiden wollte, nur damit ich es nicht mehr hören musste.«
Ich tätschele sein Knie. »Spiel ruhig den Coolen. Du bist gar nicht so übel, wie du alle gerne glauben lässt.«
Er versteht, was ich meine. »Ja, ja, man kann sagen, was man will, aber im Grunde meines Herzens bin ich genauso ein Arsch wie alle anderen.«
Lachend stehen wir auf und gehen nach vorn ins Büro, wo ein Typ am Tresen wartet. Ethan bringt mich zur Tür und sieht nach draußen zu Lila, die auf der Motorhaube meines Wagens sitzt und auf ihre Uhr sieht.
»Und was willst du jetzt machen?«, fragt Ethan, als ich die Tür öffne.
»Keine Ahnung. Ich schätze mal, du verrätst mir die Adresse nicht, wo er gerade ist.«
»Nein. Es wäre keine gute Idee, zu ihm zu fahren. Er muss erst einen klaren Kopf bekommen.« Ethan steckt die Hände in die Taschen und geht zur Kasse. »Ich muss mich jetzt um die Kunden kümmern.«
Als ich zum Wagen komme, rutscht Lila von der Haube. »Hat er dir was gesagt?«
Wie steigen ein, und ich erkläre ihr die vagen Einzelheiten, die ich von Ethan erfahren habe.
»Und wo fahren wir jetzt hin?«, fragt Lila, während sie ihren Gurt anlegt.
Sonnenlicht scheint mir durch die Windschutzscheibe ins Gesicht. »Wir fahren nach Hause.«
Noch ein paar Tage schleppen sich dahin, in denen ich nach wie vor nichts von Micha höre. Mich verblüfft, wie sehr ich ihn vermisse. Ich gebe mir Mühe, mich irgendwie zu beschäftigen, damit ich nicht vollständig in Einsamkeit und Sorge ersticke.
Dean und Caroline sind vor etwa einer Woche nach Hause gefahren. Caroline sagte, sie würden versuchen, noch vor dem Ende des Sommers zu Besuch zu kommen, und falls es nicht klappte, sähe sie mich spätestens bei der Hochzeit im Oktober.
Lila ist den Tag mit Ethan unterwegs, allerdings beteuern beide, dass es kein Date ist. Mein Dad hat sich in seinem Zimmer vergraben. Die letzte Nacht ist er abgestürzt und in eine Prügelei geraten. Denny rief mich um zwei Uhr morgens an, ich solle ihn abholen. Da ich dringend mal aus dem Haus muss, sehe ich nach meinem Dad, der tief und fest schläft, und fahre zu Grady. Amys Auto parkt vor dem Trailer. Die Tür ist weit offen und schwankt leicht im Wind.
Als ich aus dem Wagen steige, kommt Amy mit ihrer Tasche über der Schulter und einem Karton mit Gradys Sachen heraus.
Ich befürchte das Schlimmste. »Ist alles okay?«
Sie stützt den Karton auf
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