Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
will dich den ganzen Tag lang ansehen.«
Sie prustet vor Lachen und streicht mir das Haar nach hinten. »Hör auf zu reden, bevor du etwas Peinliches sagst.«
Ich überlege, doch von dem, was mir in den Sinn kommt, ist gar nichts peinlich. »Alles wird gut.« Mit meiner heilen Hand umfasse ich ihr Bein und ziehe sie zu mir aufs Bett.
»Micha!« Ihre grünen Augen sind so groß, dass ich darin mein Spiegelbild sehe. »Hier sind überall Leute.«
Ich blicke mich nach rechts und links um, erkenne aber nur verschwommene Umrisse. »Das macht bestimmt nichts.« Ich will sie küssen, und sie gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, ehe sie sich wieder wegneigt.
»Wie wäre es, wenn du deinen Kopf auf meinen Schoß legst?«, sagt sie. »Ich streichele dir den Rücken, bis du einschläfst.«
»Aber was ist, wenn ich aufwache, und du bist nicht hier?«, frage ich. Ich klinge wie ein Kleinkind, was mir jedoch egal ist.
Sie kneift den Mund zusammen. »Ich gehe nirgendshin.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Sie setzt sich aufrecht hin, und ich lege meinen Kopf auf ihren Schoß. Ihre Hand streicht meinen Rücken hinauf und durch mein Haar. Ich halte sie fest, während ich wegdämmere.
ELLA
Micha liegt mit bloßem Oberkörper auf meinem Bett und fingert an dem Verband über dem Loch an seiner Schulter. Die Ärzte konnten die Wunde nicht nähen, weil sie zu weit aufklaffte, deshalb muss er sie verbunden lassen und darf nicht duschen. Im Krankenhaus hat er scherzhaft gejammert, wie dringend er wieder duschen will, und mir dabei zugezwinkert.
Seit dem Unfall sind einige Tage vergangen, und das Chevelle-Wrack parkt in seiner Garage. Als ich den Wagen bei Tageslicht sah, fiel ich fast in Ohnmacht, denn er sieht nicht aus, als wäre dort jemand lebend herausgekommen. Die Fahrertür ist weit nach innen eingedellt, und das Vorderteil ist praktisch komplett abgebrochen.
»Das wird eine beachtliche Kriegsnarbe.« Er schiebt den Verband zurück über die Wunde.
»Schön, dass du so denkst.« Ich lese die E-Mail, die am Tag nach dem Unfall in meinem Postfach landete. Wie es aussieht, habe ich den Praktikumsplatz im Museum bekommen, und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich möchte zusagen, denn es ist eine tolle Chance, aber ich will Micha auch nicht verlassen.
»Was liest du da?«, fragt er, schwingt die Beine vom Bett und will aufstehen.
»Nichts. Ich schaue bloß meine E-Mails durch.« Ich schalte den Monitor aus, steige zu ihm aufs Bett und lehne mich an das Kopfteil, die Beine ausgestreckt.
Micha zeigt auf die Zeichnung von dem zerbrochenen Spiegel an meiner Wand. »Das gefällt mir. Vor allem der Teil mit der Gitarre.«
Wie sich herausstellte, ist es mein bisher bestes Werk, voller Erinnerungen und eine Zukunft andeutend, die ich erst sehen konnte, als ich endlich losließ. Diese Freiheit hat Micha mir geschenkt, indem er sich weigerte, mich loszulassen.
»Mir auch«, stimme ich ihm zu. »Ich überlege, es irgendwann als Teil meines Kunstprojekts einzureichen.«
»Sehr bedeutungsschwanger«, sagt er.
Lächelnd rutsche ich tiefer, sodass mein Kopf neben seinem ist. »Ich weiß.«
Micha rollt sich vorsichtig auf die Seite, wie er sich derzeit stets sehr vorsichtig bewegen muss, um seine Schulter zu schonen. Wir liegen uns gegenüber. »Wo bist du mit deinen Gedanken, Ella May? Seit dem Unfall bist du erstaunlich still.«
Ich bin ihm so nahe, dass ich die dunklen Punkte im Meerblau seiner Augen sehe. Ich bin still, weil mir an dem Abend etwas Wichtiges bewusst geworden ist. Für einen winzigen Moment dachte ich, ich hätte ihn verloren, und es öffnete mir das Herz, sodass etwas befreit wurde, was ich seit der Nacht auf der Brücke tief in mir vergraben hatte.
Ich sehe ihm in die Augen, fürchte mich nicht mehr vor dem, was ich in ihnen sehe, sehr wohl aber davor, es nicht mehr zu haben. »Ich will dich niemals verlieren.«
Eine steile Falte erscheint zwischen seinen Brauen, als er sich auf den Ellbogen aufstützt. »Ist es das? Der Unfall? Falls ja, mir geht es gut.« Er zeigt auf den Verband. »Es ist bloß ein winziger Kratzer.«
»Ich weiß, dass es dir gut geht«, sage ich, auch wenn meine Stimme verdächtig belegt klingt. »Aber für einen Moment dachte ich, dass es nicht so ist.«
»Hey.« Er legt eine Hand an meine Wange und küsst mich zärtlich. »Alles ist gut. Mir geht es gut, dir geht es gut. Alles ist okay.«
Ich hole tief Luft und lasse sie raus, ehe ich die Worte wieder einmal
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