Das Geheimnis von Islay Island
Du bist kein Hund. Geht also in Ordnung.«
Hinter mir lagen dreihundert Meter leere Straße, und auch auf der anderen Seite des Tors schien niemand zu sein. Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin. Ich marschierte durch das Tor, als sei das die größte Selbstverständlichkeit.
Abgesehen von diesen glänzenden, ins Auge springenden Schildern war das Gelände heruntergekommen und verwahrlost. Rings um einen bröselnden Bau mit Flachdach wucherte hohes Gras und Unkraut. An der Wand hing ein orangefarbener Rettungsring, ein lebendiger Farbtupfer vor dem schmierigen fleckigen Grau des Steins. Die glaslosen Fenster waren vergittert und mit rostigem Maschendraht bespannt; nur bei einem Fenster im Erdgeschoss fehlten zwei Stäbe, vermutlich von Eindringlingen herausgerissen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und spähte hinein. Der Boden war mit Möwenkot bedeckt, die Wände mit Graffiti, und eine Taube, die gurrend auf einem Sparren saß, der einzige Zeuge meines Vorstoßes.
Ich setzte mich auf einen Poller am Kai und blickte über die verfaulenden Balken eines alten Piers. »Das Boot, das wir suchen, Mieze«, sagte ich, »muss Frachtraum für zehn Whiskyfässer haben. Somit kommen all diese kleinen Yachten und Kabinenkreuzer schon mal nicht infrage, oder?«
Ihr Scharren im Innern des Rucksacks auf meinen Knien sollte mir sagen, dass sie sich unmöglich eine Meinung bilden konnte, ohne das Gelände selbst in Augenschein zu nehmen. Nach dem unseligen Vorfall im The Sheep Heid Inn gewarnt, öffnete ich den Reißverschluss nur so weit, dass sie den Kopf herausstrecken konnte.
»Du bist auf Bewährung, Gorgonzola. Ich gehe nicht das Risiko ein, dass du rausspringst und ich dir quer über den Kai hinterherrennen muss.«
Sie stupste gegen den Reißverschluss, um ihn weiter aufzubekommen, und gab zugleich ein empörtes Miauen von sich: »Wie kannst du nur so etwas von mir denken?«
Ich saß in der Dämmerung und lauschte auf das metallische Klirren der Takelagen an den Booten, die an einem Ponton vertäut lagen, untermalt vom fernen Rauschen des Verkehrs.
Welches davon konnte Moran verwendet haben? Ich vermutete – nein, nein – ich wusste, dass er sowohl Whisky als auch Drogen geladen hatte. Er hatte es eilig gehabt, den Whisky aus der Lagerhalle zu holen, also hatte er wahrscheinlich geplant, ein Boot zu erreichen, das schon bereitlag, um die nächste Lieferung Drogen zu bringen.
»Was für eine Art von Boot wäre groß genug für diese zehn Fässer, Gorgonzola?«
Ihre Schnurrhaare zuckten, was sie immer taten, wenn sie Fisch roch.
»Du hast Recht. Die Antwort lautet, ein Fischerboot, und genau danach werden wir beide jetzt suchen.«
Ich starrte über die sich stetig verdunkelnde Wasserfläche. Das Problem war, dass es offenbar keine Fischerboote oder sonst irgendetwas Größeres als diese kleinen Yachten im Hafen gab. Doch so schnell warf ich die Flinte nicht ins Korn. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Moran sein Boot genau an einer Stelle wie dieser hier andocken würde, verlassen und ungesichert, wie sie war. Außer Sichtweite der schicken Boote des Yachtclubs würde niemand bemerken, wie seines in den Hafen einfuhr und ihn wieder verließ.
Am Ende des Kais konnte ich in der Nähe eines modernen kegelförmigen Klinkerbaus, dessen Fenster noch heil waren, so eben die Silhouetten größerer, aufgebockter Boote erkennen. Dort drüben musste ein anderer Teil des Hafenbeckens liegen. Ich hatte also an der falschen Stelle gesucht.
Ich legte Gorgonzola das Arbeitshalsband mit dem Funksender an. Solange sie es trug, würde sie sich darauf konzentrieren, Drogen zu erschnüffeln, statt sich von Fischgeruch und durch die Nacht huschenden Mäusen ablenken zu lassen. Ich nahm sie an die Leine, und zusammen machten wir uns auf den Weg zu dem kegelförmigen Gebäude.
Sobald wir die aufgebockten Boote hinter uns gelassen hatten, erstreckte sich ein ganz neuer Hafenbereich vor uns. Eine dünne schwarze Linie markierte die Mauer in solcher Ferne, dass sie zwischen dem schiefergrauen Himmel und der endlosen Wasserfläche kaum noch auszumachen war. Doch in dem riesigen Hafenbecken lag kein einziges Boot, weder groß noch klein. Und doch war ich mir ganz sicher gewesen …
Fünfzig Meter weiter ragten die silbrigen Bohlen eines recht großen Stegs ins Wasser, an dessen Uferseite zwei kleine Dingis aufs Gras gezogen waren. Eine ideale Anlegestelle auch für ein größeres Boot, doch zwischen den über
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