Das Geheimnis von Islay Island
Hand zur Tür und strich über die obere Schalterreihe. Die grünen Lampenschirme bündelten das Licht zu drei hellen Kegeln, während das übrige Zimmer im Schatten lag.
»Eine behagliche Atmosphäre hat?«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Genau.« Ohne irgendeine Erklärung zu seinem Hechtsprung Richtung Gardinen trat er in die Mitte des Zimmers und fuhr in einem Atemzug fort: »Und jetzt zeige ich Ihnen, wie Sir Thomas die Abdeckung des Billardtischs gerne gefaltet haben möchte.«
Ich zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb das Notwendige mit, auch wenn ich mit den Gedanken ganz woanders war. Aus irgendeinem Grund hatte man offenbar erst später mit dem Eintreffen des Wagens gerechnet, weshalb Waddington so bemüht gewesen war, mich abzuschirmen. Auch wenn mich seine Geistesgegenwart daran gehindert hatte, etwas zu sehen, hatte ich immerhin den Motor und das Quietschen der Bremsen gehört, und alles, was man mir bewusst vorenthielt, weckte meine Wissbegier. Wie spät war es? Wenn ich auf die Armbanduhr sah, konnte ich ihn misstrauisch machen, doch über der Bar hing eine große Wanduhr, wie man sie in Bahnhofswartesälen und Klassenzimmern antrifft. Selbst im Halbdunkel konnte ich die Stellung der großen schwarzen Zeiger auf dem weißen Ziffernblatt ausmachen. Viertel nach fünf. Falls es sich nur um einen Lieferwagen handelte, der etwas für die Küche brachte, fragte ich mich, was es zu verbergen gab.
Als wir das Billardzimmer verließen, wurde mir ein flüchtiger Blick ins angrenzende Wohnzimmer gewährt, dessen bequeme Sofas mit einem Tweed in rotgrünem schottischem Karomuster bezogen waren, dann scheuchte Waddington mich die Treppe hinauf. Offenbar zuversichtlich, vor mir verborgen zu haben, was es zu verbergen gab, hielt er auf dem Treppenabsatz an, um sich über das viktorianische Bleiglasfenster zu ergehen, das aus kleinen Milchglasscheiben mit roten und grünen Einfassungen bestand. Unter dem Schriftzug eines gälischen Mottos prangte auf einem der handbemalten Glasovale ein Hirsch, der im Heidemoor im Wasser eines Baches steht.
»Das ist das Motto des Klans Cameron. Aonaibh Ri Chiele .« Die Fremdsprache kam ihm wie selbstverständlich über die Lippen. »Übersetzt hieße das Einig .«
Ich beschloss, ihm auf den Zahn zu fühlen. »Ah, Sie sprechen Gälisch?« Ich wählte »ah« statt »oh«, um damit anzudeuten, dass ich die Sprache selbst beherrschte; »oh« hätte Bewunderung zum Ausdruck gebracht – und das Eingeständnis, dass die Sprache für mich ein Buch mit sieben Siegeln war.
Er schwieg, innerlich wohl abwägend, ob er sich mit der Beherrschung einer schwierigen Fremdsprache, die ich möglicherweise nicht konnte, brüsten sollte oder sich aber blamieren würde, falls ich doch über Kenntnisse verfügte. Ich sah ihn erwartungsvoll an, ohne mir anmerken zu lassen, dass mich sein Dilemma amüsierte. Sein Zögern war schon Antwort genug.
Wie ein geübter Schachspieler wog er seine Optionen ab und machte einen klugen Zug. »Na ja, ein bisschen.« Egal, wie gut meine Kenntnisse waren, konnte ich ihn damit nicht überführen. Ein äußerst kluger Zug. John Waddington war definitiv nicht zu unterschätzen; sollte er sich als Gegner herausstellen, könnte er gefährlich werden.
»Also, hier oben sind die Schlafzimmer und Bäder wie auch Sir Thomas’ Arbeitszimmer.«
Er hatte kehrtgemacht, um die übrigen Stufen vorauszugehen, als das Aufheulen eines Motors zu hören war. Erst zog es an der Seite des Hauses vorbei, dann verebbte es in Richtung des Tores. Ich war mir sicher, dass es sich um dasselbe Fahrzeug wie zuvor handelte – das Kreischen war unverwechselbar –, doch wieder war mir, nun durch die bemalten Butzenscheiben, die Sicht versperrt.
Ich war gespannt, wie Waddington diesmal mit dem Vorkommnis umgehen würde. Er konnte es mit einer beiläufigen Bemerkung übergehen – »höchste Zeit, dass John Thompson endlich seinen Motor nachsehen lässt«, »das wird der Fischlieferant sein, immer in Eile«.
Tat er aber nicht. Er erwähnte es einfach mit keiner Silbe und spielte es auf diese Weise zu etwas Alltäglichem herunter.
Oben angekommen, blieb er stehen.
»Einige Besucher finden das Dekor hier ziemlich ungewöhnlich, um nicht zu sagen, irritierend.«
Die von den Viktorianern so geliebten goldgerahmten Gemälde, auf denen sich unter einer dunklen Firnisschicht röhrende Hirsche tummeln, waren offenbar auf dem Speicher eingemottet worden, um einer surrealen Ansammlung
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