Das Geheimnis von Islay Island
von Kitsch Platz zu machen: Zu beiden Seiten ragte eine Reihe von zehn Hirschköpfen in den schmalen Flur, als wollten sie die Geweihe im Kampf um Leben und Tod ineinanderrammen.
»Verstehe«, sagte ich und fühlte mich tatsächlich angesichts der vielen gläsernen Augenpaare, die auf mich niederstarrten, etwas unbehaglich. Viktorianischer Overkill.
Waddington war vorausgegangen und wartete an einer Tür weiter hinten auf mich.
»Die Tür links führt ins Schlafzimmer von Sir Thomas und Lady Cameron-Blaik. Allerdings hat Lady Amelia in Edinburgh wichtige Verpflichtungen, weshalb sie in nächster Zeit nicht zu uns stoßen wird. Und das hier«, er öffnete eine Tür, »ist das Badezimmer der beiden. Unter den gegebenen Umständen werden Sie sich nicht um Sir Thomas’ persönliche Belange kümmern, doch er wird erwarten, dass Sie ihm morgens und abends sein Bad einlaufen lassen und dafür sorgen, dass er warme Handtücher und auch sonst alles hat, was er benötigt.«
Ich schrieb Sir Thomas – warme Handtücher ins Notizbuch.
»Und das hier ist das Schlafzimmer von Miss Robillard, die als Gast hier weilt. Sie hat ihr eigenes Bad«, er zeigte auf eine Tür, »und wird dieselben Dienste benötigen.«
Ich notierte Miss Robillard – warme Handtücher .
Wir kehrten wieder zur Treppe zurück.
Ich deutete auf die beiden Türen an dem der Treppe entgegengesetzten Ende. »Und das sind ebenfalls Gästezimmer?«
»Nein, das sind Zimmer, die Sir Thomas und ich als unsere Büros nutzen.« In der Auskunft schwang kaum verhohlen ein Zutritt verboten mit.
Plötzlich flog eine dieser Bürotüren auf. »Gabrielle, du denkst doch dran, dass wir –«
Vor mir stand ein Mann mit vollem dunklem Haar und grauen Schläfen. Er vermittelte, ohne dass ich sagen konnte, wodurch, stählerne Härte und Autorität.
Als er mich sah, kniff er die Augen zusammen. »Wer zum Teufel ist das denn, Waddington? Habe ich nicht klar und deutlich gesagt, dass Sie keine Fremden ins Haus lassen sollen?« Er wartete Waddingtons Antwort nicht ab. »Wer zum Teufel sind Sie? Und was haben Sie in meinem Haus zu suchen?« Unter buschigen Augenbrauen funkelten mich blaue Augen wütend an.
Ich neigte den Kopf zu einer professionell respektvollen Geste. »Elizabeth Dorward, Ersatzbutlerin, Sir.«
»Ein weiblicher Butler, wo gibt’s denn so was!« Er schnaubte verächtlich. »Was soll ich mit einer Butlerin? Sehen Sie zu, dass Sie rauskommen, bevor ich Sie raus werfe .« Er gab diesem letzten Satz einen betont gebieterischen Ton.
Jeder Versuch, mich zu verteidigen oder ihn umzustimmen, wäre nicht nur vollkommen zwecklos gewesen, sondern hätte auch meiner Rolle als Butlerin widersprochen. Das war’s dann wohl. Operation Schottischer Fusel konnte ich vergessen.
»Es tut mir leid, dass Sie es so sehen, Sir.« Ich straffte mich und machte mit einer steifen, kurzen Verbeugung auf dem Absatz kehrt.
In dem Moment hörte ich, wie hinter mir knarrend eine der Schlafzimmertüren aufging. Eine etwas rauchige, sinnliche Stimme fragte: »Was iest denn los?«
Gabrielle Robillard. Ich drehte mich nicht um.
Sir Thomas ließ sich in seinem Redeschwall nicht unterbrechen. »Und bleiben Sie bei ihr, Waddington, bis sie das Gelände verlassen hat.« Die Worte hingen wie eine Drohung in der Luft, während ich zur Treppe lief.
Als wir den Absatz erreichten, hörte ich das schnelle, leise Tapsen von Absätzen auf dem dünnen Teppich, gefolgt von Gabrielles: »Wer ist diese Frau, Thomas?«
»Ein weiblicher Butler, ist das zu fassen! So ein ausgemachter Unsinn!« Noch ein spöttisches Schnauben. »Die Agentur hat zwar gesagt, dass es schwierig werden könnte, so kurzfristig Ersatz für Paterson zu finden, aber was soll ich mit einer Frau? Vollkommen nutzlos.«
»Ach so, aber Thomas …«
Wir hatten die untersten Treppenstufen erreicht, und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf Waddington, der betreten murmelte: »Ich muss Sie leider bitten, binnen einer Stunde Ihre Sachen zu packen und abzureisen. In Port Ellen, Bridgend oder Bowmore gibt es Hotels. In einem davon finden Sie sicherlich eine Unterkunft.«
Mein vordringlichster Gedanke galt allerdings Gorgonzola, ohne die ich nicht abreisen konnte. Das wiederum hieß, sie erst einmal zu finden. In diesem Moment döste sie vielleicht auf meinem Bett in der Gärtnerhütte, sie konnte aber ebenso gut gerade durch die reichhaltigen Jagdgründe der Sträucher pirschen. Genau das war, wie mir klar wurde, mit Sicherheit der
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