Das Geheimnis von Islay Island
Fall. Ich hatte ihr, bevor ich mich ins Haupthaus begab, keine Dose geöffnet, was sich jetzt als Fehler erwies. Sie war auf Selbstbedienung angewiesen, und solange sie nicht satt war, wäre sie gegenüber meinen leisen Lockrufen taub. Andererseits konnte ich sie natürlich nicht hier auf Allt an Damh zurücklassen, und so musste ich vielleicht später heimlich zurückkommen, um sie einzufangen. Das würde die Situation nur noch schlimmer machen. Fatal genug, dass die Operation ohne mein Zutun gescheitert war; wenn mich nun auch noch eine der vielen Überwachungskameras entdeckte, würde Sir Thomas misstrauisch, Robillard die Flucht ergreifen und mit ihr auch Moran abtauchen. Er würde sich in Luft auflösen, und diesmal wäre es sehr wohl meine Schuld.
Waddington hatte die Haustür aufgeschlossen und trat für mich zur Seite. »Es tut mir leid, Ms Dorward. Wenn Sir Thomas eine klare Meinung hat, bringt ihn nichts mehr davon ab.«
Nicht aber in diesem Fall, und das verdankte ich Gabrielle Robillard. Offenbar hatte Gerry doch nicht ganz danebengelegen, als er beschloss, ihnen eine Butlerin zu schicken.
Mit einem Ruf von oben, » Attendez, attendez! Moment … Moment!«, kam sie, nachdem sie sich – aus Gründen der Sicherheit wie Geschwindigkeit – ihrer hochhackigen Schuhe entledigt hatte, auf Strümpfen die Treppe heruntergesprungen.
Sie drängte sich an Waddington vorbei und packte mich am Arm. »Thomas will Sie nischt als sein Bötler, aber isch .« Sie warf ihr langes schwarzes Haar zurück und klatschte aufgeregt in die Hände. »Sie sind mein présent von ihm.«
Auftrag in letzter Sekunde gerettet. Und Gott sei Dank auch kein Grund mehr zur Sorge, wie ich Gorgonzola aus dem Gebüsch bekommen sollte.
Als ich jedoch den Besitzerstolz in Gabrielles Augen sah und mir dämmerte, was ihre Worte »Sie sind mein présent« zu bedeuten hatten, wich die Erleichterung einer bösen Ahnung. Ihr schwebte offenbar eine persönliche Sklavin vor.
»Sie ’eißen also Dorward? – Sie sind bereit, die Instruktionen zu empfangen?«
Ich zückte mein Notizbuch. »Selbstverständlich, Madam.«
Sie blickte bedächtig zu dem Hirschkopf über dem antiken Spiegel hoch.
»Isch ’ätte gerne das Frühstück um neun Uhr im Bett – le chef weiß, was isch mag – und dazu le journal .«
Mein Stift schwebte über dem Notizbuch. »Wünscht Madam die Zeitung gebügelt?« Als sie mich verständnislos ansah, fügte ich hinzu: »Würde ich Ihnen empfehlen, denn sonst könnte die Druckerschwärze Ihre Finger oder aber die Bettwäsche verfärben.« Dieses Juwel an Information, das ich gerade erst dem Butler-Handbuch entnommen hatte, gab ich mit Kennermiene weiter.
Sie war entzückt. Ihr geschnurrtes » Mais oui , Sie ’aben Rescht« erinnerte unheilvoll an Miezes lautstarke Zufriedenheit, wenn ich ihr zur Belohnung einen besonders erlesenen Bissen servierte.
»Und sagen wir, neun Uhr dreißig fürs Bad, Madam?«
Diesmal bekam ich einen verdrießlichen Schmollmund zur Antwort. » Non , Dorward, zu früh. Das macht das Frühstück zuge’etzt. Neun Uhr fünfundvierzisch peut-être für das Bad. Zwei ’andvoll von dem sünd’aft teuren Badesalz, Dorward. Nicht vergessen. Und jetzt zu meine Kleider –«
» Raus hier! « Der wütende Schrei kam irgendwo von der Rückseite des Hauses. Es folgte eine Reihe Flüche, die einem das Blut in den Adern gerinnen ließen, dann das Klappern eines festen Metallgegenstands, der auf ein festes Objekt trifft.
Waddington runzelte die Stirn. »Irgendwas muss den Koch mächtig verärgert haben. Ich sehe mal nach, was los ist. Es gehört zu Ihren Aufgaben im Haus, sich mit ihm zu verständigen, deshalb kommen Sie am besten mit, Dorward. Wenn Sie uns bitte entschuldigen, Ms Robillard …«
Mit heimlicher Genugtuung registrierte ich, dass ich eine förmliche Anrede eingebüßt hatte und damit auch meinen Status. In seinen wie auch Sir Thomas’ und Gabrielles Augen war ich jetzt nichts weiter als ein niedriger Lakai, Teil der unauffälligen Hintergrundszenerie. Wer jemanden unterschätzt, ist weniger auf der Hut.
Er knallte die Haustür zu, drehte den Schlüssel um und war mit einem Satz an der Tür unter der Treppe. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen und tat so, als hätte ich Gabrielles jammervollen Ruf, »Moment, Dorward, Moment, isch bin noch nischt fertig …«, bedauerlicherweise nicht gehört.
Waddington blieb vor der verschlossenen Tür am Ende eines langen Flurs stehen. Jetzt, da aus der
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