Das Geheimnis von Islay Island
verpasst. Du warst gerade gegangen, und wir saßen hier und wollten uns über das Wildragout hermachen, als die Gegensprechanlage summte. ›Packen Sie schon mal Ihre Sachen, Roddy‹, hab ich witzelnd gesagt. Na ja, nicht Sir Thomas war dann am anderen Ende, sondern die Chinesin. Zuerst hab ich nicht verstanden, was sie sagte, aber sie wollte, dass ich ihnen einen großen Krug Milch bringen soll, und zwar schleunigst. Roddy hat sich damit Zeit gelassen, die Milch einzugießen, stimmt’s, Roddy? Dann bin ich mit dem Krug die Treppe hochgerast. Bin vor Neugier fast geplatzt …« Der Satz ging im nächsten Lachanfall unter. »Und da saß Sir Thomas und schnappte wie eine Kaulquappe nach Luft, dabei war er krebsrot im Gesicht und ihm liefen die Tränen runter. Das gnädige Fräulein Gabrielle sah mit ihrem verschmierten Mascara hinreißend aus, ach, war das schön,« kam sie prustend zum Ende während ihr die eigenen Augen vor Lachen tränten.
Ich spähte zum Koch hinüber, der den Porridge in die Schalen füllte. »Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter. Wieso marschieren Sie nicht gerade in diesem Moment mit Ihrem Koffer das Tor hinaus?«
Er grinste. »Weil ich ein raffinierter Hund bin. Die westchinesische Küche ist äußerst scharrrf, und ich dachte mir halt, falls Ms Chang aus der Gegend wäre, würde sie ein bisschen Hausmannskost zu schätzen wissen, nicht wahr?« Er zwinkerte übertrieben mit einem Auge. »Außerdem bin ich ein Glückspilz, denn Ann-Marie hat gehört, wie Chang Sir Thomas erzählt hat, sie käme tatsächlich aus Westchina. Der Witz ist, dass sie dachte, Sir Hochwohlgeboren hätte das Sechuan-Inferno tatsächlich eigens für sie bestellt. Die Dame war entzückt.« Er schob die Porridge-Schüsseln über den Tisch und zog sich einen Stuhl heran.
Ann-Marie lächelte den Koch an und ahmte Ms Changs schrille Stimme und ihr charakteristisches Staccato nach. »Westchina-Leute lieben sehr scharfes Essen. Koch, der ist ausgezeichnet.«
Er grinste. »Sir Thomas blieb nichts anderes übrig, als mit den Wölfen zu heulen. Konnte ja nicht das Gesicht verlieren, oder? Und was gab’s da auch zu bemäkeln? Wenn ich eine Handvoll Sechuan-Pfefferkörner reingeschmissen hätte, na ja …«
»Noch schärfer als Chili?« Ich reichte ihm den Milchkrug.
»Kann man so sagen. Und sie brauchen einen Moment, bis es richtig lodert, er hätte also schon den nächsten Bissen –« Als auf dem Steinboden im Flur Schritte in unsere Richtung kamen, brach er den Satz ab.
Der Knauf drehte sich, und Waddington stand in der Tür. Etwas unsicher, mit welchem Empfang er zu rechnen hatte, räusperte er sich. »Ähm … Sir Thomas ist heute Morgen etwas unpässlich, Chef Burns, und ähm … benötigt nicht sein gewohntes Frühstück.« Da er vermutlich mit einer barschen Reaktion rechnete, rang er nervös die Hände.
Der Koch strafte ihn mit einem finsteren Blick.
»Sir Thomas wird Toast und Tee zu sich nehmen«, fügte Waddington hastig hinzu. »Das erspart Ihnen einige Mühe, nicht wahr? Und, ähm …« Das beharrliche Schweigen des Kochs ließ nichts Gutes ahnen und versetzte Waddingtons Hände wieder in Bewegung. »… da es ein schöner Tag wird, werde ich Sir Thomas und die Damen ein wenig über die Insel fahren. Wären Sie wohl so freundlich, ein Picknick für vier Personen vorzubereiten?« Nervöses Schlucken. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht? Wir brechen um halb elf auf.«
»Wwwaas?« Die flache Hand des Kochs klatschte auf den Tisch. Er stand langsam auf.
»Also, ähm … wie gesagt.« Ohne sich umzudrehen, ergriff Waddington überstürzt die Flucht. Wir hörten eilige Schritte im Flur.
Der Koch grinste. »Verfehlt nie ihre Wirkung, diese Nummer.«
Um fünf vor halb zehn verstaute ich den Picknickkorb, die Kühlbox mit den Champagnerflaschen sowie mehrere wasserdicht beschichtete Decken im Kofferraum und wartete, die Hand an der geöffneten Wagentür, ein wenig ungeduldig auf die Abreise von Sir Thomas und seinen Gästen. Dies war die erhoffte Gelegenheit. Während sie außer Haus waren, konnten Gorgonzola und ich ein wenig in den Schlafzimmern herumschnüffeln.
Ich beabsichtigte, Gorgonzola in dem Weidenkorb, den ich nach Allt an Damh mitgebracht hatte, ins Haus zu schmuggeln. Der Koch war zu dieser Zeit gewöhnlich im Personaltrakt, um eine Ruhepause einzulegen, und so hatte ich mit keinen unangenehmen Fragen von ihm zu rechnen. Ann-Marie stellte schon eher ein Problem dar. Sie würde oben beim
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