Das Geheimnis von Islay Island
strich mir ums Bein. Ich senkte den Blick. Ein zerfleischter Fischkopf lag zu meinen Füßen, daneben saß Gorgonzola, den Blick auf den Schuppen gerichtet.
»Das ist sehr großzügig von dir, Mieze«, sagte ich und beugte mich herunter, um sie hinterm Ohr zu kraulen.
Sandy, der mit dem Fernglas die Bucht abgesucht hatte, drehte sich um. »Werden wir sie in Aktion erleben?«
»Schon möglich, aber eigentlich habe ich sie nur mitgebracht, damit sie nicht im Wald herumstreunt. Waddington, der Mann von gestern, hat den Wildhüter dazu gebracht, Tellereisen und Schlingen aufzustellen.« Ich legte Gorgonzola ihr Arbeitshalsband an. »Allerdings rechne ich nicht damit, dass sie etwas findet. Ich glaube, im Schuppen horten sie Whisky, und sie ist nicht dazu ausgebildet, den aufzuspüren.«
Sie sah zu mir hoch. Ich zeigte mit dem Finger in die gewünschte Richtung. »Also, Mieze, such.«
Mit hochgerecktem Schwanz trippelte sie um die Baracke, um sich wenig später hinzusetzen und sich mit der Vorderpfote den Kopf zu putzen.
»Dann hat sie nichts zu melden?« Er klang enttäuscht.
»Offenbar nicht. Egal, was sie da drinnen verstecken, Drogen sind es nicht.«
Ohne Hast brachte Gorgonzola ihre Waschungen zu Ende, dann drehte sie eine zweite Runde um den Schuppen. Wieder setzte sie sich vor die Tür, doch diesmal gab sie das charakteristische Schnurren von sich, mit dem sie einen Fund anzeigte. Also doch Drogen! Beim ersten Mal hatte Gorgonzola sie vielleicht nur nicht aufgespürt, weil ihr Geruchssinn durch den Verzehr des gestohlenen Fischs abgestumpft war.
»Stimmt was nicht mit der Katze?«
Ich lächelte. »Im Gegenteil. Was Sie da hören, ist Gorgonzola in Aktion.«
Nachdem ich Mieze wieder sicher mit Reißverschluss im Rucksack verstaut hatte, wo sie nach ihrer Mahlzeit ein Verdauungsnickerchen halten konnte, gingen wir auf einer Anhebung hinter einer alten Hügelfestung in Stellung, um den Strand zu observieren.
Wir hatten vielleicht eine Stunde dort gewartet, als ich es hörte – das schwache Surren eines Hilfsmotors draußen auf See, während das Boot selbst auf den schimmernden niedrigen Wellen nicht zu erkennen war.
»Links von dieser kleinen Insel.« Sandy reichte mir sein Nachtsichtgerät. »Werfen Sie einen Blick drauf, aber geben Sie acht, dass sich das Mondlicht nicht in den Linsen bricht. Die Mannschaft wird die dunkle Landmasse absuchen.«
Ich konzentrierte mich auf die Richtung, in die er gezeigt hatte. Selbst mithilfe des Fernglases nahm sich das Boot wie ein winziger Fleck zwischen den flimmernden Wellen aus. Sowie es näher kam, erkannte ich den niedrigen weißen Rumpf einer kleinen Yacht und weiter oben die dünne schwarze Linie eines Masts, der über dem silbrig glänzenden Wasser schwankte. Mit stark gedrosseltem Motor, der nur noch ein leises Murmeln von sich gab, glitt es in die schützenden Arme der Bucht und hielt auf das seichte Wasser parallel zum Schuppen zu. »Der Meeresgrund steigt hier steil an«, flüsterte Sandy und beugte sich so dicht zu mir herüber, dass mich sein Bart am Ohr kitzelte. »Diese Yacht-Klasse benötigt weniger Tiefgang.«
Eine schwarze Gestalt sprang über das Dollbord, watete platschend an Land und lenkte den Bug so, dass er sich leicht in den Sandboden grub. Dort hielt er ihn fest, während ein anderes Mannschaftsmitglied ins Wasser sprang und ein Bootstau hinübertrug, um es im Geäst der Büsche festzubinden.
Eine weitere schattenhafte Gestalt kam mit einem kleinen Päckchen aus der Kabine, von denen anschließend insgesamt zwanzig am Strand aufgestapelt wurden. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir durchs Fernglas den Bootsrumpf genauer anzusehen und vielleicht irgendetwas zu entdecken, das dabei half, die Yacht zu identifizieren und Gerry zu melden. Ärgerlicherweise war der Name nicht zu erkennen, er wurde von einem über den Rumpf geworfenen Netz verdeckt. Ich konnte nur die ersten Buchstaben – Ir – und die letzten – es – ausmachen. Doch das Schutzgeländer an der Backbordseite des Bugs war verbogen. Vielleicht reichte das ja schon als Wiedererkennungsmerkmal.
Sandy murmelte: »Sie haben den Schuppen geöffnet.«
Ich ließ das Fernglas sinken. Bis jetzt hatten sie noch keine Anstalten gemacht, die Päckchen, die auf einem Haufen am Strand gestapelt waren, wegzuschaffen. Im dunklen Rechteck der geöffneten Schuppentür bewegte sich etwas. Zwei Männer erschienen, jeder mit einem Karton, der schwer genug schien, um Whiskyflaschen zu enthalten.
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