Das Geheimnis von Islay Island
Toten hatte ich in der Tiefe hinter dem schmalen Spalt noch stärker zu kämpfen. Dieser Sack war prall mit Gasen gefüllt, und es war schwer, den Schuh zu packen, auch diesmal einer in Männergröße. Wer auch immer da drin stecken mochte, Chang war es nicht.
Ich packte die Knöchel und rief Sandy eine Warnung zu. »Der hier ist schon eine ganze Weile tot. Das Ding ist voller Gas. Bitte ganz sachte, wir wollen ja nicht, dass es reißt.«
Als Sandy mich herauszog, rieb der ballonartig aufgeblähte Sack am Stein. Die Zeit schien im Schneckentempo zu vergehen, während der Sack immer wieder zu platzen und mir der bestialische Gestank direkt in die Nase zu steigen drohte. Ich ließ die Leiche los, sobald ich konnte, und rappelte mich hoch. Gemeinsam zogen wir den Körper komplett ins Freie.
»Ich würde an Ihrer Stelle ein Stück zur Seite gehen. Das wird nicht angenehm.« Sandy stellte sich gegen die Windrichtung neben den Sack und schlitzte nach kurzem Zögern das Plastik über dem Gesicht auf.
Ich stand fast zwei Meter entfernt, doch nicht weit genug.
Er schien allerdings gegen den Verwesungsgeruch immun zu sein. »Musste mich im Krieg wohl oder übel an so was gewöhnen. Sie brauchen nicht hinzusehen.«
Er klappte die Plastiklasche hoch. »Aha, der wird nicht leicht zu identifizieren sein. Ist schon ein paar Wochen tot. Kann trotzdem nicht schaden, ein Foto zu machen. Zumindest haben wir dann Beweise, falls sie die Leiche noch woanders verschwinden lassen.«
Ich hatte mich ein wenig gefangen. »Sie werden alles aus den Taschen genommen haben, woran er identifiziert werden könnte, aber machen Sie bitte ein Foto von der Kleidung –«
Als er den Schlitz verlängerte und das Plastik zurückzog, so dass eine dunkelgrüne Barbour-Jacke sowie ein kastanienbraunes, am Hals verknotetes Seidentuch zum Vorschein kam, hob es mir den Magen.
»Einer aus der Jäger-, Schützen- und Anglerzunft. Habe allerdings nichts davon läuten gehört, dass einer von denen auf der Insel vermisst wird. Kann nur ein Besucher sein. Hallo, was haben wir denn da?« Er beugte sich vor, um den über die Brust gelegten Arm zu untersuchen. »Wenn ich eine Nahaufnahme mache und sie dann auf dem Display heranzoome, könnte ich vielleicht …«
Wir sahen uns das Foto zusammen an. Ein breiter Goldring war darauf zu erkennen, der tief ins geschwollene Fleisch einschnitt. Eine Art Siegelring mit einer Darstellung.
»Zoomen Sie noch ein bisschen ran«, bat ich.
Jetzt nahm das Emblem des Rings das ganze Display ein. Es bestand aus fünf Pfeilen, die ähnlich wie eine Ährengarbe zusammengeschnürt und von einem Gürtel mit breiter Schnalle gerahmt waren. Darunter stand ein Motto aus drei gälischen Worten.
Er legte die Stirn in Falten. »Irgendwo hab ich so einen Ring schon mal gesehen …« Nachdem er eine Weile geistesabwesend in die Ferne gestarrt hatte, schüttelte er schließlich den Kopf. »Nee, ich komm nicht drauf, fällt mir aber bestimmt noch ein.«
Er steckte die Kamera in die Tasche und zog den Plastiksack, so gut es ging, wieder zu. »Also gut. Wenn Sie das mit etwas Verspätung bei der Polizei melden wollen, verstauen wir sie besser wieder, bevor hier zufällig jemand vorbeikommt.«
Rücksichtsvollerweise nahm er sich der Schultern des unbekannten Opfers an, während ich die Beine packte. Wir legten die Leiche zurecht und schoben sie mit dem Kopf voran in den Spalt unter der Platte. Genauso verfuhren wir mit Winstanley und hatten die großen Steine schon fast alle wieder zurückgerollt, als wir das Motorengeräusch eines sich nähernden Autos hörten.
»Unsere Glückssträhne ist vorbei. Das werden Touristen sein, die das Kreuz und die gemeißelten Krieger sehen wollen.« Er zückte die Kamera. »An der Zeit, dass wir selbst die Besucher spielen.«
Ich schnappte mir den Rucksack, und wir liefen zusammen zur Kirchenruine. Als ein Mann und eine Frau durch das Eingangstor hereintraten, war das für Sandy das Signal, ein Foto von dem großen, in eine Wandnische eingelassenen, steinernen Krieger zu machen.
»Ist Wilhelm der Eroberer eigentlich mit seinen Soldaten bis hierher nach Norden vorgedrungen?«, fragte ich laut.
Sandy schüttelte den Kopf. »Manche behaupten das zwar, aber ich bin anderer Meinung. Das hier sind keine Normannen, ich glaube, sie haben eher mit den Wikingerübergriffen auf Islay zu tun.« Er sah auf die Uhr. »Kommen Sie, wir sind spät dran. Ich möchte noch das Kreuz fotografieren.«
»Läuft ja wie
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