Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis von Islay Island

Das Geheimnis von Islay Island

Titel: Das Geheimnis von Islay Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morna Helen; Mulgray Mulgray
Vom Netzwerk:
es in die Länge zu ziehen.
    Ich stieß einen spitzen Schreckensschrei aus und machte ein Gesicht, dem eine Spur der echten Angst, die ich empfand, anzusehen war, eine Angst, von der mir die Knie weich wurden und das Blut in den Adern gerann. Ich musste diese Rolle spielen, wenn ich die nächste Stunde überleben wollte.
    Als würde mir jetzt erst bewusst, wer vor mir stand, sprang ich vom Stuhl auf und lächelte ihm unter Tränen entgegen. »Oh, Sir Thomas, Gott sei Dank, dass Sie es sind!«
    Mit dieser Reaktion hatte er offenbar ganz und gar nicht gerechnet. Verdutzt schaute er mich an. Genau, wie ich gehofft hatte.
    »Gestern Abend hat mich jemand überfallen, keine Ahnung, wieso …« Mir zitterte die Stimme, und das war durchaus nicht nur gespielt. »Ich wurde bewusstlos geschlagen und … und dann fand ich mich hier wieder. Eingesperrt.« Ich sah mich im Zimmer um und unterdrückte ein Schluchzen. »Die … irgendjemand hat offenbar das Cottage hier verwüstet. Keine Ahnung, was die hier finden wollten, ich meine, hier gibt es doch nichts, was irgendwie besonders wertvoll ist, oder?« Ich sank auf den Stuhl zurück und brach in Tränen aus. So sollten sich verdeckte Ermittler unter Druck gewöhnlich nicht benehmen, doch dies war einfach mein Überlaufventil für die Panik, die ich unter Kontrolle zu bringen versuchte. Ich schämte mich auch nicht allzu sehr deswegen, denn Tränen passten perfekt zu meiner Rolle der verzweifelten, harmlosen Frau.
    Ich war darauf gefasst gewesen, dass Moran mich unterbrach, am Kragen packte und mir die Faust ins Gesicht rammte. Doch stattdessen herrschte nur Schweigen. Nervenaufreibendes Schweigen. Er sah mich mit einem durchdringenden Blick an.
    Schließlich fragte er brüsk: »Wo waren Sie Freitagnacht?«
    »Freitagnacht?« Meine Überraschung war wohl dosiert, nicht übertrieben. »Ich bin an den Strand gegangen, um mir die Otter anzusehen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hatte Miss Robillard mir gesagt, dafür, dass ich Donnerstag Überstunden gemacht habe, könnte ich den ganzen Samstag frei bekommen. Das war die ideale Gelegenheit, die ganze Nacht draußen zu bleiben und den Ottern dabei zuzusehen, wie sie bei Mondlicht jagen – sie sind sehr scheu, und ich hatte bis jetzt nicht viel Glück, sie bei Tage zu sehen.«
    Wie schlug ich mich? Sein Gesichtsausdruck gab nichts preis.
    »Verstehe«, sagte er langsam. »Demnach sind Sie nicht ins Cottage zurückgekommen?«
    »Nein, es war so ein schöner Morgen, dass ich beschlossen habe, zu einem späten Frühstück per Anhalter zum Café der Destillerie Ardbeg zu fahren.« Eine dürftige Geschichte, zweifellos, doch vielleicht verschaffte sie mir ein wenig Aufschub.
    Einen endlosen Moment lang sah mich Moran an. »Sie sagen, Sie wurden überfallen? Haben Sie gesehen, von wem?«
    Hinter ihm warfen sich die Schläger Blicke zu.
    Ich schüttelte den Kopf und zuckte wegen der Schmerzen, die mir die Bewegung verursachte, zusammen. »Derjenige kam von hinten.«
    »Dann ist das also nicht hier passiert?« Als ob er das nicht wüsste.
    Ich wollte gerade noch einmal den Kopf schütteln, als mir bewusst wurde, dass das wohl keine gute Idee war. »Auf dem Weg nach Ardbeg hat mich ein Mann aus der Gegend mitgenommen.« Ich würde ihm, wenn nötig, Sandys Namen verraten, jedoch so tun, als sei er ein flüchtiger Bekannter. Schadensbegrenzung. Jetzt, wo sie zwischen ihm und mir eine Verbindung herstellen konnten, war er in handfester Gefahr – ich hätte wissen müssen, dass Moran nach der Konfrontation mit Sandy misstrauisch geworden war und ihn – und so auch mich – aufgrund seines unverwechselbaren melierten Barts schnell ausfindig gemacht haben würde. In der Gegend von Port Ellen musste ihn anhand der Beschreibung jeder erkennen und wissen, wo er wohnt. »Wir haben was in dem Café gegessen, und dann hat er mir angeboten, dass ich mir auf der Halbinsel Oa mit ihm die Hochland-Rinder und die Wildziegen ansehen kann.«
    Das erklärte allerdings kaum, wieso ich am späten Abend immer noch in Sandys Cottage war, lange nachdem die Rinder mit ihrem dunklen, zotteligen Fell oder die Ziegen noch zu sehen waren. Meine Geschichte war ziemlich löchrig und so dürftig wie die erste hauchdünne Eisschicht auf einem Teich.
    Er sah das genauso wie ich.
    Seine Gesichtszüge verhärteten sich. »Demnach … haben Sie im Dunkeln Ziegen beobachtet, ja?«
    Wieder kam hinter dem gesitteten Auftreten von Sir Thomas Cameron-Blaik die kalte Skrupellosigkeit

Weitere Kostenlose Bücher