Das Geheimnis von Islay Island
ebenso großen Kessel Platz zu machen, und fachte mit einem messingbeschlagenen Blasebalg die schlafende Glut zu züngelnden Flammen an.
Es war grüner Tee, sehr heiß und, wie ich einräumen musste, gar nicht mal so schlecht wie befürchtet. Über den Becherrand hinweg lächelte ich ihm zu. »Wenn ich mir jetzt wohl Ihr Handy ausleihen dürfte. Ich muss einen dringenden Anruf bei meiner Dienststelle machen.«
Er hob den Topfdeckel an und betrachtete den Inhalt. Gorgonzola, die vor dem Feuer wenig elegant auf dem Rücken lag, drehte sich um und setzte sich sabbernd auf. »Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt ’ne kleine Katze.« Er rührte einmal kräftig um. »Zuerst die gute oder die schlechte Nachricht?« Er wartete meine Antwort nicht ab. »Die gute Nachricht ist, dass ich tatsächlich ein Handy besitze. Die schlechte, dass wir hier im Cottage keinen Empfang haben. Das gilt für viele Stellen auf Islay.«
Ich sackte in den Sessel und erging mich in Selbstvorwürfen. Der Anruf bei Gerry hätte absoluten Vorrang gehabt, doch stattdessen war ich im Wagen eingeschlafen und hatte damit das ganze Unternehmen, Louis Moran zu schnappen, aufs Spiel gesetzt. Er wusste, dass seine Tarnung aufgeflogen war, und er hatte gewiss nicht vor, untätig herumzusitzen und zu warten, bis die Polizei oder die Zollfahndung kam, um ihn abzuführen. Vermutlich hatte er Allt an Damh bereits verlassen.
Sandy musterte mich. »Dieser Anruf ist ziemlich dringend, oder?«
Ich nickte. »Ich hätte mich von Ardbeg oder Port Ellen aus melden können. Wahrscheinlich hab ich den Auftrag vermasselt.«
»So dringend also, verstehe. Nun ja, nil desperandum , wie schon die Römer sagten. Es gibt eine Stelle, nicht allzu weit von hier, wo man Empfang hat. Und wenn Sie Angst haben, Cameron-Blaik könnte verschwinden – der kommt nirgendwohin. Es geht keine Fähre, und vor morgen auch kein Flug. Sie können das Telefonat also ruhig in Angriff nehmen, nachdem wir uns ein bisschen aufgepäppelt haben.« Er stellte den Topf auf den Tisch. »Die Katze scheint ein Abendessen zu vertragen, und wir auch.« Er drehte den Docht im Glastrichter der Petroleumlampe herunter, um die Flamme zu löschen. »Die brauchen wir im Moment nicht.«
Das Feuer legte einen warmen, flackernden Schimmer über den Raum. Wir machten es uns davor gemütlich und spülten das Hasenragout mit mehreren Bechern Nesseltee herunter. Nachdem sie sich den Bauch vollgeschlagen hatte, rollte sich Gorgonzola auf Sandys Schoß ein und schnurrte zufrieden. Ich hatte gegenüber dem Ernährer das Nachsehen.
Missmutig stellte ich den Becher ab. »Ich sollte besser den Anruf hinter mich bringen. Wo, sagten Sie noch, habe ich Empfang?«
»Nicht weit von hier, gerade mal vierhundert Meter. Wenn Sie zur Tür rauskommen, gehen Sie rechts durch den Buchenwald. Der Pfad führt zu einer grasbewachsenen Lichtung, die bis zur Bucht und den Singing Sands hinunterreicht.«
»Singing Sands? Klingt unheimlich.«
»Der Strand heißt so, weil man ein hohes Sirren hört, wenn man heftig mit den Füßen darin scharrt. Versuchen Sie’s mal, wenn Sie da sind.« Er glitt mit dem Fuß über den Dielenboden, um den Vorgang zu demonstrieren. Bei der unerwarteten Bewegung sprang Gorgonzola von seinem Schoß auf den Boden.
»Möchtest du auf einen Spaziergang mitkommen, Mieze?« Ich stand auf und zog ihre Leine aus der Tasche.
Mit zuckendem Schwanz zeigte sie mir, dass sie wohl verstanden hatte, den Vorschlag aber mit der gebührenden Verachtung strafte. Sie stellte sich auf die Hinterbeine, legte Sandy die Vorderpfoten auf die Knie und sprang ihm wieder auf den Schoß. Dort sackte sie zu einem Häufchen zusammen, und im nächsten Moment hoben und senkten sich ihre Seiten rhythmisch im Schlaf. Ihre Antwort war eindeutig: Einen behaglichen Schoß und ein warmes Feuer zu verlassen war einfach nur dämlich.
Ich steckte Sandys Handy in die Tasche und zog die Tür hinter mir zu. Einen Moment blieb ich stehen, bis sich meine Augen an die Dunkelheit im Schatten der Bäume gewöhnt hatten. Hinter den schwarzen, filigranen Mustern der Buchenzweige richtete der Vollmond einen silbrig blauen Suchscheinwerfer auf das Gelände.
Obwohl ich daran gewöhnt bin, mich im Dunkeln zu bewegen, war mir unbehaglich zumute. Die Ereignisse der letzten Tage hatten an meinen Nerven gezehrt. Das Rascheln der Buchenblätter unter meinen Füßen ließ mich zusammenzucken, und bei jedem noch so leisen Geräusch im Unterholz fuhr ich herum und
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