Das Geheimnis von Melody House
reden.”
“Von Ihrer Exfrau Lavinia Harper”, sagte sie ohne Umschweife.
“Ich verstehe. Und das wissen Sie, weil Sie hellseherische Fähigkeiten haben, richtig?”
“Sie mögen keine rothaarigen Frauen. Um das zu erkennen, braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten. Penny hat mir von Lavinia erzählt.”
“Rote Haare gibts in Tuben zu kaufen. Im Übrigen käme es mir nie in den Sinn, einen Menschen wegen seiner Haar-, Haut- oder Augenfarbe oder sonst irgendeinem körperlichen Merkmal abzulehnen”, erklärte er mit erzwungener Ruhe, aber seine Verärgerung war ihm trotzdem anzumerken.
Sie lächelte bemüht, als sie an ihm vorbeiging. “Gewiss. Dann entschuldigen Sie bitte.”
Er ließ sie vorbei und hielt einen Moment inne, um sich zu sammeln und seine zu scharfe Reaktion zu überdenken. Aber bevor er sich noch eines Besseren besinnen konnte, saß sie bereits im Sattel und galoppierte den Waldweg hinunter.
Er hielt sich dicht hinter ihr, und als sie an die Lichtung gelangten, sah Matt auf der anderen Seite des Feldes Melody House auf seinem kleinen Felsen noch in den letzten blutroten Strahlen der Abendsonne erleuchtet, sodass es fast aussah, als ob das Haus glühte.
Nicht mehr lange, dann würde die Sonne endgültig untergehen und die Nacht ihre schwarze Decke über die Landschaft werfen.
Das Abendessen in Melody House entpuppte sich als eine unterhaltsame Angelegenheit – trotz oder vielleicht sogar wegen Matt Stones Anwesenheit –, und Darcy ertappte sich dabei, dass sie mehrmals laut auflachte.
Auch wenn Matt und Penny durchaus nicht immer einer Meinung waren, ließ sich doch nicht übersehen, dass sie bestens miteinander auskamen. Penny liebte Geschichten und erzählte leidenschaftlich gern, und Matt korrigierte sie, wenn sie der Versuchung erlag, ihre Erzählungen allzu sehr auszuschmücken.
“Es war fast, als ob die gesamte Südstaatenarmee in Melody House Zuflucht gesucht hätte”, sagte Penny.
“Die gesamte Südstaatenarmee”, schnaubte Matt. “Eine Kompanie, allerhöchstens. Zwanzig Mann, Penny, mehr nicht.”
Penny wischte den Einwand mit einer ungeduldigen Handbewegung vom Tisch. “Es waren großartige Soldaten”, fuhr sie unbeirrt fort. “Es hätten genauso gut Tausende sein können. Sie schlugen die Yankees …”
“Was? Die ganze Nordstaatenarmee?” fragte Matt mit belustigt funkelnden Augen.
“Hundert waren es mindestens!” gab Penny mit einem finsteren Blick auf ihren Brötchengeber zurück. “Das Entscheidende dabei aber ist, dass unsere Jungs nicht bereit waren aufzugeben und zu retten versuchten, was zu retten war, aber ihr Vorgesetzter, ein junger Hauptmann, wurde getötet. Eine Kugel, die durch das Fenster des Salons kam, traf ihn mitten ins Herz. Und er soll angeblich immer noch hier sein und Melody House bewachen.”
Matt lehnte sich weit über den Tisch. Seine Augen glitzerten, als er Darcys Blick suchte. “Und bis jetzt scheint ihm niemand gesagt zu haben, dass der Krieg vorbei ist und der Süden verloren hat. Übrigens, Yankeeakzente kann er gar nicht leiden – so erzählt man sich zumindest.”
“Wie gut, dass ich keinen Yankeeakzent habe”, gab Darcy zuckersüß zurück.
Mittlerweile waren sie bei der Nachspeise – einer köstliche Eistorte – angelangt. Darcy rechnete damit, dass jeden Moment ein mit einer makellosen Uniform bekleideter Butler auftauchte und verkündete, dass sich die Damen nach dem Essen zu Tee und Gebäck in den einen und die Herren zu Whiskey und Zigaretten in einen anderen Raum zurückziehen sollten.
Aber es kam kein Butler – zumindest an diesem Abend nicht. Sie hatten alle gemeinsam den Tisch gedeckt und das Essen aufgetragen.
“Und?” fragte Penny und schaute Darcy erwartungsvoll an. Darcy hatte das Gefühl, dass sie dieses fragende “Und” noch sehr oft von Penny hören würde.
“Und was?” gab sie lächelnd zurück.
“Haben Sie ihn schon gesehen?”
“Wen?”
“Na, unseren Hauptmann!”
“Den, der Melody House vor den marodierenden Yankees beschützt hat, die es niederbrennen wollten”, erinnerte Matt trocken.
Darcy zuckte mit den Schultern. “In den ersten Tagen versuche ich mich nur auf ein Haus einzustimmen”, erklärte sie Penny.
“Oh! Natürlich. Damit Sie die Schwingungen spüren”, sagte die Haushälterin mit einem weisen Kopfnicken.
“So ungefähr”, gab Darcy zurück.
“Dann gibt es hier also Schwingungen?” erkundigte sich Matt scheinheilig.
Sie schaute ihm fest in die
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