Das Geheimnis von Melody House
Wahrheit, die noch aus den Gedanken verbannt werden musste. Er hatte keine andere Wahl
.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten, öffneten sich wieder, als würden sie sich um den Hals der Geliebten legen, die, wie er wusste, im Haus war
.
Denn wenn eine Frau verschmäht wurde …
…
war sie so gut wie tot
.
Darcy fuhr abrupt aus dem Schlaf hoch und merkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie hatte die Vergangenheit am eigenen Leib gespürt. Und zwar weniger einen bestimmten Menschen als vielmehr den Zorn und die Bösartigkeit, die Teil einer weit zurückliegenden Zeit waren.
Sie setzte sich im Bett auf und schaute sich im Zimmer um, dann schloss sie ihre Augen und öffnete sie erneut.
Was immer da bei ihr gewesen war, welche Gefühlsüberreste es auch gewesen sein mochten, es war jetzt weg.
Und doch …
Irgendetwas war da.
Irgendetwas, irgendjemand, heimlich, still und leise.
Schaute.
Wartete.
4. KAPITEL
“W ir wissen alle, weshalb wir uns hier versammelt haben.” Elizabeth Holmes hatte eine tiefe, aber sehr weibliche Stimme. Darcy hatte sich eine Frau aus dem Ort, die erst vor einem Jahr ihren Hang zum Okkulten entdeckt hatte, ganz anders vorgestellt. Sie hätte eher jemanden erwartet, der einen Turban trug oder die Augen dick mit schwarzem Kajal umrandete. Elizabeth Holmes hingegen wirkte alles in allem wie eine erfolgreiche Geschäftsfrau zwischen fünfundfünfzig und sechzig – groß, schlank und elegant, mit silberweißem Haar und freundlichen blauen Augen.
Allein die Stimme passte zu dem Bild, das man sich allgemein von einem Medium machte.
Diese Stimme hallte im Esszimmer von Melody House, als ob die Wände Teil einer hochmodernen Verstärkeranlage wären.
“Melody House ist eine sehr alte ehrwürdige Dame, die seit dem Jahr 1710 hier auf diesem Felsen steht. Eine Dame, die in all diesen Jahren viele Freuden, aber auch viele Tragödien erlebt hat. Sie gehört zu den wenigen berühmten alten Häusern unseres Landes, die überlebt haben und sich immer noch in Händen der Nachfahren ihrer Erbauer befinden. George Washington hat hier geschlafen!” Elizabeth machte eine Pause und schaute lächelnd auf die Gruppe, die sich bei gedämpftem Kerzenlicht um den Tisch versammelt hatte. “George war hier, und es ist ein Wunder, dass Martha nicht viel aufgeregter war. Aber ich schweife ab. Washington war nicht der einzige berühmte Gast. Patrick Henry, Thomas Jefferson und viele große Männer aus der Revolutionszeit haben ebenfalls hier übernachtet, genauso wie Staatsmänner und Generäle aus anderen traurigen Kriegsperioden – Robert E. Lee, Stonewall Jackson, Jeb Stuart und sogar Ulysses Grant und Abe Lincoln sollen in Melody House Unterkunft gefunden haben. Das Haus hat bei Kämpfen, die hier stattfanden, viele Narben davongetragen, die man heute noch sehen kann. Innerhalb seiner Mauern sind Soldaten gestorben. Aber es gab auch tragische Begebenheiten, die nichts mit Kriegen zu tun hatten. Wie zum Beispiel die traurige Geschichte von der schönen Melody, der Tochter des Erbauers, die bei einem Streit zwischen ihrem Vater und ihrem Geliebten die Treppe hinunterstürzte und sich das Genick brach. Man erzählt sich, dass sie nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt, wo wir im Moment sitzen, in den Armen ihres Liebsten starb. Oder denken wir an Eliza, die Tochter von General Stone, die angeblich ihre Nebenbuhlerin Sally Beauville vergiftet hatte, woraufhin deren Vater General Stone erschoss und dafür am Galgen endete. Und das sind längst nicht alle Geschichten. Es gibt noch unzählige mehr.
Melody House steht seit fast dreihundert Jahren, und wir können uns nur ausmalen, was für Dramen sich im Lauf dieser Zeit in seinen ehrwürdigen alten Mauern abgespielt haben, wie viele Leidenschaften und Träume hier gestorben sind. Der Mensch besteht aus Energie, und Energie vergeht nicht. Nun wird behauptet, dass es in Melody House spukt. Angenommen, hier sind tatsächlich Seelen zurückgeblieben, dann ist ihre Energie in diesen Mauern, und es wäre nur natürlich, wenn man sie heute spürt. Im Lauf der Jahre haben viele Menschen diese tragischen Seelen in Gestalt von Geistern gesehen oder geglaubt, sie zu sehen. Der mutige Andrew Jackson, der nur eine halbe Nacht in diesem Haus verbracht hat, soll gesagt haben, dass er lieber wieder gegen die Briten kämpfen würde, als sich noch einmal in eines der Betten von Melody House zu legen. Es gibt Leute, die schwören, beobachtet zu haben, wie eine
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