Das Geheimnis von Melody House
hat.”
“Vielleicht hat sie ja wirklich diese komische Wahrnehmung.” Carter kaute nachdenklich auf einem Strohhalm herum. “Wie du weißt, habe ich kürzlich das alte Reed-Haus gekauft. Wenn du sie also nicht willst, übernehme ich sie. Sie kann gern dort nach Geistern suchen.”
“Ich bin mir sicher, dass du keine Gelegenheit ungenutzt lassen wirst, um sie zu überreden”, sagte Matt kopfschüttelnd und saß auf. “Aber vorher würde ich mich ganz gern noch davon überzeugen, dass sie nicht irgendwo mit einem gebrochenen Bein im Wald liegt. Wie konntest du sie bloß allein losreiten lassen?”
“Kann es vielleicht daran liegen, dass sie keine Gesellschaft wollte?”
Kopfschüttelnd drückte Matt Vernon sanft die Absätze in die Flanken und ritt aus dem Stall.
“He, aber komm nicht zu spät zum Abendessen!” rief Carter ihm nach. “Wenn mich nicht alles täuscht, hat Penny Joe für heute Abend engagiert.”
Matt spürte seinen Groll wachsen, er versuchte jedoch, ihn im Zaum zu halten. Immerhin war Adam Harrison bereit, ein nettes Sümmchen dafür hinzublättern, dass er hier das, was er als “Nachforschungen” bezeichnete, anstellen durfte. Dafür mussten sie die Frau eben ertragen, Teufel noch mal. Es gab Schlimmeres.
Matt verscheuchte die Gedanken und konzentrierte sich auf seine Suche. Er wählte den Weg, der quer über das Feld südlich am Haus vorbeiführte und sich nach einer Weile gabelte. Er schien Darcy richtig eingeschätzt zu haben, denn schon bald entdeckte Matt frische Pferdespuren.
Nach etwa zwanzig Minuten gelangte er an einen rauschenden Wildbach, der sich durch den Wald schlängelte. Die Gegend hier war seit hundert Jahren nahezu unverändert, und die Wege waren nur deshalb nicht zugewuchert, weil sie regelmäßig benutzt wurden. Die Luft war angenehm kühl und duftete stark nach Tannennadeln.
Als er Nellie reiterlos am Ufer des Wildbachs stehen sah, befürchtete er schon das Schlimmste, doch gleich darauf sah er auch Darcy, die seelenruhig auf einem umgestürzten Baumstamm saß und mit einem dürren Ast irgendetwas in den Sand kritzelte. Ohne eine Miene zu verziehen beobachtete sie, wie er vom Pferd sprang und auf sie zu kam.
“Hallo”, sagte er, als er nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt war.
Im Wald war es dämmrig, und die Lichtstrahlen, die durch das dichte Blätterdach der Bäume fielen, warfen seltsame schwarzgrünliche Schatten. Darcys Haar schimmerte tiefrot, und ihre Augen waren noch grüner als das satte Grün der Bäume. Hier in diesem unheimlichen Licht wirkte sie blasser und von so zerbrechlicher Eleganz wie eine Waldnymphe, obwohl er wusste, dass sie für eine Nymphe viel zu groß war. Bei diesem Gedanken wurde ihm klar, dass das, was ihn am meisten an ihr störte, diese hoch gewachsene geschmeidige Eleganz, diese Ruhe und Gelassenheit war, in die sie eingehüllt zu sein schien wie in einen Mantel.
Sie legte ihre gefalteten Hände um die Knie und rief ihm mit einem sarkastischen Unterton zu: “Hallo, Sheriff. Wie Sie sehen, habe ich mir weder den Hals gebrochen noch Ihr Pferd zu Schanden geritten oder mich im tiefen Wald verirrt.”
“Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie vorhaben, hier herumzureiten?”
“Wann denn?” Sie lächelte spöttisch, während sie ihn herausfordernd ansah. “Nachdem Sie mich aus dem Auto geworfen hatten, blieb nicht mehr viel Zeit.”
“Das habe ich nicht getan.”
Ihre Antwort bestand aus einem Schulterzucken. Wieder verspürte er diese seltsame Verwirrung, und zu seiner eigenen Beunruhigung begriff er langsam, was ihn so bewegte. Diese Frau war nicht nur groß und elegant, sondern darüber hinaus auch noch extrem sinnlich, mit katzenhaft geschmeidigen Bewegungen. Sie schien innerlich zu glühen, aber äußerlich war sie kalt wie ein Eiszapfen.
“Ich habe eigentlich erwartet, dass Sie sich innerhalb des Hauses umsehen.”
“Das habe ich bereits.” Diese grünen Augen weigerten sich, ihn loszulassen.
“Aber den bösen Geist haben Sie bis jetzt noch nicht gefunden?”
“So schnell geht das nicht. Dafür muss ich erst das gesamte Umfeld erkunden”, gab sie in ruhig distanziertem Tonfall zurück.
“Aha.” Er ließ sich neben ihr auf dem Baumstamm nieder und schaute zwischen den Bäumen hindurch auf das Wasser, auf dem die Sonnenstrahlen glitzerten wie Diamanten. Schließlich wandte er sich wieder ihr zu. “Hier im Wald soll es angeblich auch spuken, wissen Sie. Aber das hat nichts mit Melody House
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