Das Geheimnis von Melody House
davor angelangt war, spürte sie sofort, dass eine angespannte Schwere sie einhüllte wie eine dunkle Wolke. Sie öffnete die Tür und betrat den Raum.
Durch die geöffneten Balkontüren strömte frische Luft hinein. Bis auf die Vorhänge, die leise im Wind raschelten, war nichts zu hören.
Trügerisch, dachte Darcy. Dicht unter der friedlichen Oberfläche verspürte sie eine enorme Unruhe.
Sie malte sich aus, wie sie versuchte, Matt Stone das, was sie fühlte, zu erklären.
Es war kein schönes Bild.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals verstand, was es mit ihrer speziellen Gabe auf sich hatte. Adam verstand es. Er war ein beeindruckender Mann mit mannigfaltigen Talenten. Seine eigentliche Befähigung lag jedoch darin, Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten zu erkennen und zu fördern. Ohne ihn hätte sie vielleicht längst den Verstand verloren, weil sie Dinge hörte und sah, die anderen Menschen verborgen blieben. Es war Adam, der ihr klar gemacht hatte, dass sie als eine von wenigen in der Lage war, armen verlorenen Seelen Frieden und Erleichterung zu bringen. Damit hatte er ihrem Leben eine neue Richtung und einen neuen Sinn gegeben – und ihr selbst die Möglichkeit, sich mit einer Arbeit, bei der ihre Gefühle unbeschadet blieben und sie selbst sich nützlich fühlen konnte, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Und so fühlte sie auch sofort, dass Gefühle von Leid und Qual in diesem Zimmer herumwirbelten wie schwarze Wolken, die der Sturm vor sich hertrieb.
Trotzdem war der Raum wunderschön, und nach dem so genannten Hotel, in dem sie zuerst abgestiegen war, sicher nicht der schlechteste Ort, um zu bleiben. Sie ging zu ihrem Koffer, der am Fußende vor dem Bett stand, und begann leise vor sich hin summend ihre Sachen auszupacken.
Bemerkte sie zunächst außer dem Luftzug kaum eine Bewegung im Raum, war sie sich nach einer Weile jedoch sicher, dass sie beobachtet wurde. Das sagte ihr ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Es war, als ob ein außerirdischer Blick sie berührte.
Gefühle … Intuition. Sie bekam eine Gänsehaut.
Und verharrte einen Moment bewegungslos.
Aber …
Da war nichts Stoffliches. Absolut nichts. Doch Darcy wusste Bescheid.
Was immer in diesem Zimmer war, es würde warten, sie beobachten und auf die richtige Gelegenheit warten.
Matt kam um sechs nach Hause und schaute im Haupthaus vorbei. Er hätte wetten mögen, dass Penny und sein Gast immer noch zusammenhockten und sich Geistergeschichten erzählten. Vielleicht hatten sie ja sogar das Ouija-Board hervorgekramt.
Aber Penny war mit Joe McGurdy, dem Koch, in der Küche. Matt war überrascht, Joe zu sehen, weil er normalerweise nur kam, wenn es in Melody House einen besonderen Anlass zum feiern gab. Matt warf Penny einen fragenden Blick zu.
“Gucken Sie nicht so”, sagte die Haushälterin vorwurfsvoll. “Wir haben schließlich einen Gast, und den können wir an seinem ersten Abend schlecht mit einem Teller Schmalzstullen abspeisen, oder?”
“Gott bewahre, nein, natürlich nicht”, beteuerte Matt gespielt entrüstet. “Wo ist sie denn?”
“Carter hat Nellie für sie gesattelt. Sie wollte sich ein bisschen in der Gegend umsehen.”
“Und woher wissen wir, ob sie reiten kann? Außerdem ist Richtung Westen der Wald sehr dicht. Sie könnte sich verirren.”
“Matt, ich bitte Sie, Darcy ist eine erwachsene Frau. Sie hat gesagt, dass sie reiten kann.”
“Trotzdem … wahrscheinlich ist es besser, wenn ich nach ihr sehe”, brummte Matt ungehalten und schüttelte mit einem Blick auf Penny den Kopf. Nicht genug damit, dass diese Person empfangen wird wie ein Staatsgast, jetzt musste er sich auch noch um sie kümmern. Er wunderte sich, warum Carter sie überhaupt allein hatte losreiten lassen.
Diese Frage stellte Matt ihm auch, nachdem er sich Jeans und Pullover angezogen hatte und den Freund im Stall bei den Pferden traf. Carter zuckte nur mit den Schultern. “Sie wollte irgendwas erkunden, was für ihre Arbeit wichtig ist, und dafür müsste sie allein sein, wie sie mir sagte. Selbstverständlich habe ich ihr angeboten, sie zu begleiten, was denkst denn du? Bei dem Aussehen …”
“Trotzdem spinnt sie”, sagte Matt lakonisch, während er Vernon aus der Box holte und dem Tier das Zaumzeug anlegte.
“He, von irgendwas muss schließlich jeder leben, oder?” sagte Carter.
Matt warf einen Sattel über Vernons Rücken. “Ich könnte mir vorstellen, dass sie noch ein paar andere Möglichkeiten
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