Das Geheimnis von Melody House
ziehen ein bestimmtes Geschlecht vor. Könnt ihr euch noch an die deutsche Schäferhündin erinnern, die wir vor Jahren hatten? Gracie. Sie verabscheute Männer, aber sobald eine Frau in ihre Nähe kam, wurde sie lammfromm.”
“Ja!” stimmte Carter zu. “Und erinnert ihr euch noch an diesen kleinen weißen Mopp, den Lavinia hatte?”
“Ein Lhasa Apso”, sagte Clint.
“Was auch immer. Auf jeden Fall war der Hund das niedlichste weiße Fellknäuel der Welt – außer, ein Kerl wagte es, sich ihm zu nähern und versuchte ihn womöglich zu streicheln. Da hat er sofort die Zähne gebleckt und geknurrt wie ein Löwe”, erinnerte sich Carter.
“Als Matt den Hund sah, hätte ihm sofort klar sein müssen, dass er sie unmöglich heiraten kann”, sagte Clint.
“Ach, zum Teufel, sie war doch für uns alle das heißeste Ding seit der Erfindung des Feuers”, erinnerte Carter ihn.
“Darum geht es doch jetzt gar nicht”, mischte sich Penny ein.
“Worum denn dann?” fragte Clint.
“Obwohl, Penny, vielleicht haben wir die Lösung ja schon”, sagte Carter mit einem Auflachen. “Wir haben einen Geist, der etwas gegen Frauen hat. Vielleicht ist es ja eine Sie, und sie ist einfach eifersüchtig auf alle bildschönen Mädchen.”
“Wenn Clara Sie hören würde, würde sie sich wirklich sehr geschmeichelt fühlen”, konterte Penny spitz.
“Clara ist anbetungswürdig”, widersprach Clint.
“Aber wohl kaum ein Mädchen”, erinnerte ihn Penny.
“Es bleibt dabei, Penny”, sagte Carter. “Es ist einfach lächerlich, den Unfall in der Bibliothek mit einem wie auch immer gearteten bösen Geist aus dem Haus in Verbindung zu bringen.”
“Und es bleibt auch dabei, dass ich nicht abreise”, warf Darcy entschieden dazwischen und stand auf. “Vielen Dank dafür, dass Sie sich solche Sorgen um mich machen, Penny. Aber da die Bibliothek jetzt geschlossen ist, würde ich mir gern Ihr Archiv ansehen, erlauben Sie mir das?”
“Aber sicher, Liebes. Fühlen Sie sich in meinem Büro ganz wie zu Hause”, erwiderte Penny, während sie aufstand, konnte es sich aber trotzdem nicht verkneifen hinzuzufügen: “Obwohl es mir wirklich lieber wäre, wenn Sie es sich noch einmal überlegen würden.”
Darcy lächelte. “Ich werde gut auf mich aufpassen, Penny. Versprochen.”
“Um sieben gibt es Abendessen”, verkündete Penny.
“Ich werde pünktlich sein”, versicherte Darcy und machte sich auf den Weg in das Büro.
Die Frau war ein echtes Organisationstalent. Darcy ließ bewundernd ihren Blick über die Bücherregale schweifen, wo fein säuberlich nach Rubriken getrennt und alphabetisch angeordnet Historisches, Legenden und Gespenstergeschichten standen. Sie setzte sich einige Minuten lang auf Pennys Schreibtischstuhl und dachte noch einmal an das, was in der Bibliothek passiert war. Sie glaubte nicht daran, dass der Geist aus dem Lee-Zimmer wirklich aggressiv und böse war, viel eher verzweifelt. Und Carter und Clint hatten heute Nachmittag einen interessanten Punkt angesprochen – der Geist hatte es offenbar nur auf Frauen abgesehen.
Aber was bedeutete das?
Darcy stand auf und nahm einen Band aus dem Regal, der von den Anfängen von Stoneyville erzählte. Die ersten Seiten, auf denen viel von der Architektur und den damals verwendeten Baumaterialien die Rede war, überblätterte sie, bis sie zu der traurigen Geschichte von der armen Melody kam, die ihr Leben am Fuß der Treppe in den Armen ihres Geliebten ausgehaucht hatte. Sie wurde christlich bestattet, aber ihre Eltern kamen über den Verlust ihres geliebten Kindes bis zu ihrem eigenen Tod nicht hinweg. Dennoch schien es nicht ihre ruhelose Seele zu sein, die in dem Haus herumspukte, denn sie hatte nicht das Lee-, sondern das Jackson-Zimmer bewohnt.
Beim Weiterlesen überschlug Darcy immer wieder Seiten, in denen chronologisch von Geburten, Taufen, Eheschließungen und Todesfällen berichtet wurde. Doch als sie zum Jahr 1777 kam, stieß sie auf eine höchst merkwürdige Geschichte. In der Familie Stone gab es offenbar viele uneheliche Kinder. Arabella Latham, geboren auf der illegitimen Seite der Stones, hatte ihrer Familie nie verziehen, dass sie während der Revolution Partei für die Patrioten ergriffen hatte. Ihr Urgroßvater, Malachi Stone, starb noch vor Fertigstellung des Hauses, und man erzählte sich, dass er seinem Bruder eine große Geldsumme geliehen hatte. Malachis Nachfahren jedoch – die ehelichen ebenso wie die unehelichen – sahen
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