Das Geheimnis von Melody House
bisschen ungläubig.
Sie lächelte. “Nein.”
“Was dann?”
“Ich erinnere mich nicht mehr genau. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, versuchte ich mir einzureden, dass ich alles nur geträumt hätte, aber ganz glauben konnte ich es nicht. Ich ging wieder in die Kirche, wo ich den Pater traf. Ich fragte ihn, ob an der Trauerfeier gestern eine Frau namens Charisse teilgenommen hätte. Er bejahte und erzählte mir, dass sie Charisse Whittaker hieß und die Trauerfeier für ihre Großmutter Lanie Beacon gewesen wäre. Er erkundigte sich, ob ich eine Freundin von Charisse sei. Ich verneinte es, behauptete aber, Lanie gekannt zu haben, und fragte ihn, ob er Charisse einen Brief von mir geben könnte. Darin hatte ich ihr geschrieben, dass sie den Schmuck in der Shirley-Temple-Puppe finden würde. Der Pater erklärte sich bereit, ihr den Brief zu geben.”
“Und, hat er es wirklich getan?” erkundigte sich Matt.
Darcy nickte. Matt berührte sie nicht, sondern lehnte einfach nur an der Balkonbrüstung und hörte ihr zu, als erzählte sie ihm eine x-beliebige Anekdote aus ihrem Leben.
“Und was geschah dann?”
Sie zögerte. “Drei Tage später rief mich Charisse an. Sie war außer sich vor Glück, da sie praktisch mittellos gewesen war, nachdem sie alle Arztrechnungen ihrer Großmutter bezahlt hatte. Lanie, die lange Zeit krank gewesen war, war vor ihrem Tod verwirrt gewesen und hatte Charisse wahrscheinlich deshalb nichts von dem Schmuck erzählt, der, wie sich herausgestellt hatte, ein kleines Vermögen wert war. Charisse bedankte sich überschwänglich und fragte mich, woher ich es gewusst hätte. Ich hatte keine andere Wahl, als ihr die Wahrheit zu erzählen. Sie kommentierte das nicht, sondern fragte mich lediglich, ob sie irgendetwas für mich tun könne. Ich verneinte und wünschte ihr und ihren Kindern viel Glück.”
“Sie wollte sich nicht mit dir treffen, um sich persönlich bei dir zu bedanken?” fragte Matt.
Darcy lächelte trocken. “Sie hätte nicht überschwänglicher sein können – am Telefon. Aber das Bedürfnis, mich persönlich kennen zu lernen, hatte sie offenbar nicht. Ich glaube, die ganze Sache war ihr einfach nicht geheuer.”
“Und danach?” fragte Matt.
“Es gab noch mehr … Vorfälle. Mir ging es gut damals, ich studierte an der NYU und hatte angefangen, nebenbei als Fotomodell zu arbeiten, das heißt, auch finanziell ging es mir ziemlich gut. Dann träumte ich eines Nachts, der Bruder einer Freundin wäre gestorben, und ich wohnte seiner Beerdigung bei. Eine Woche später kam er tatsächlich bei einem Bootsunfall ums Leben. Ich fühlte ich mich entsetzlich elend. Ich hatte fast Angst, verrückt zu werden. Ich kann mich nicht erinnern, je in meinem Leben so verzweifelt gewesen zu sein. Tags darauf ging ich auf den Friedhof, und dort habe ich Josh zwar nicht gesehen, aber ich konnte ihn hören. Er riet mir, seinen Vater zu besuchen. Dabei fiel mir wieder ein, wie freundlich Adam bei Joshs Beerdigung zu mir gewesen war und dass er mich eingeladen hatte, zu ihm zu kommen, wenn ich irgendwelche Probleme hätte. Einen Tag später war ich bei ihm.”
“Und Adam gelang es dann, dich zu überzeugen, dass du nicht krank oder verrückt bist, sondern eine besondere Gabe hast?” fragte Matt. Sie konnte nicht entscheiden, ob in seinem Tonfall Skepsis mitschwang oder nicht.
“Damals noch nicht”, gab sie lächelnd zurück. “Aber wir redeten sehr lange miteinander, und er bat mich wiederzukommen. So hat es mit Adam und mir angefangen. Ich besuchte ihn häufiger, machte alle möglichen Tests und lernte seine Mitarbeiter kennen. Lauter Leute, die Ähnliches erlebt hatten wie ich … auf die eine oder andere Weise. Wir verabredeten, dass ich zu Ende studieren und danach bei ihm anfangen sollte.”
Sie machte eine Pause und zuckte wieder mit den Schultern: “Und so kam es dann auch.”
Darcy schwieg und hoffte auf eine Reaktion von Matt, die ihr zeigte, dass er ihr wenigstens ein bisschen glauben und sich nicht von ihr abwenden würde. Aber sie blieb aus.
“Und?” fragte sie möglichst beiläufig.
“Es ist bestimmt ein gutes Gefühl zu wissen, dass man jemandem helfen konnte”, sagte er schließlich. “Auch wenn dieser Jemand tot ist.”
Er klang höflich, sogar sanft.
“Machst du dich über mich lustig?” fragte sie sehr ruhig.
“Nein.”
“Aber ich weiß, dass du nicht an Geister oder überhaupt an übersinnliche Phänomene glaubst.”
Er lächelte.
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