Das Geheimnis von Orcas Island
brauche.«
»Nun.« Ein wenig besänftigt, zupfte Dolores an ihrer Schürze. »Man kann sich darauf verlassen, dass ich meine Arbeit tue, aber sagen Sie der Frau da drinnen …« Sie deutete mit dem Daumen zu Küche. »Sagen Sie ihr nur, dass sie mich in Frieden lassen soll.«
»Ich werde mit ihr reden, Dolores. Versuchen Sie, geduldig zu sein. Wir sind alle ein bisschen nervös heute Morgen, da Mary Alice wieder krank ist.«
»Krank?« Dolores schnaubte. »Nennt man das heutzutage so?«
Charity lauschte nur mit halbem Ohr und schrieb weiter. »Wie meinen Sie das?«
»Wenn sie krank ist, dann weiß ich nicht, warum ihr Wagen die ganze Nacht in Bill Perkins Auffahrt gestanden hat. Und was meinen Zustand angeht …«
Charity hörte auf zu schreiben. Ronald zog die Augenbrauen hoch, als er plötzlich einen stählernen Unterton in ihrer Stimme hörte. »Wir reden später darüber, Dolores.«
Dolores schob die Unterlippe vor und stolzierte zurück in die Küche.
Charity unterdrückte ihren Zorn und wandte sich an die Kellnerin. »Lori, ich bin anschließend mit Bob im Empfang. Wenn es zu hektisch wird, rufen Sie mich. Ronald …«
»Soll ich bedienen helfen?«
Sie schenkte ihm ein schnelles, dankbares Lächeln. »Wissen Sie denn, wie?«
»Ich werde es schon herausfinden.«
»Danke.« Sie blickte zur Uhr, eilte dann hinaus.
Er hatte nicht erwartet, sich zu amüsieren, aber es war schwer, es nicht zu tun, wo Miss Millie mit ihm flirtete, als er ihr Erdbeerkompott servierte. Der Duft nach Gebäck – etwas Köstliches mit Äpfeln und Zimt –, die ruhigen Klänge klassischer Musik und das leise Stimmengemurmel machten es beinahe unmöglich, sich nicht zu entspannen. Er trug Tabletts hin und her. Das mürrische Geplänkel zwischen Mae und Dolores wirkte eher belustigend als verärgernd. Also amüsierte er sich und nutzte seine Position aus, während er seiner Arbeit nachging.
Als er die Fenstertische abräumte, sah er einen Reisebus vorfahren. Er zählte die Köpfe und musterte die Gesichter der Gruppe. Der Reiseleiter war ein großer Mann in einem weißen Hemd, das sich über den Schultern spannte. Er hatte ein rundes, gerötetes Gesicht, das ständig lächelte, während er seine Passagiere hereinführte. Ronald durchquerte den Raum, um die Gäste in der Eingangshalle beobachten zu können.
Die Gruppe bestand aus Paaren und Familien mit kleinen Kindern. Der Reiseleiter – Ronald wusste bereits, dass sein Name Block lautete – begrüßte Charity mit einem herzlichen Lächeln und reichte ihr die Namensliste.
Wusste sie, dass Block wegen Betrugs im Knast gesessen hatte? War sie sich bewusst, dass der Mann, mit dem sie scherzte, einer zweiten Verhaftung nur durch geschickte Rechtsverdrehung entkommen war?
Ronalds Wangenmuskeln spannten sich, als Block mit einem Finger an Charitys goldenen Hängeohrring schnippte.
Während Charity Häuser zuwies und Schlüssel austeilte, wechselten zwei von der Gruppe Geld bei ihrem Assistenten. Einer fünfzig und der andere sechzig, registrierte Ronald, als kanadische Geldscheine übergeben und amerikanische Währung entgegengenommen wurde.
Innerhalb von zehn Minuten saß die gesamte Gruppe im Speisesaal. Charity band sich eine Schürze um, öffnete einen Notizblock und begann Bestellungen aufzunehmen.
Sie sieht nicht aus, als ob sie es eilig hätte, bemerkte Ronald. Wie sie plauderte und lächelte und Fragen beantwortete, schien es, als hätte sie alle Zeit der Welt. Doch sie bewegte sich wie der Blitz. Sie trug drei Teller auf dem rechten Arm, schenkte Kaffee mit links ein und schäkerte mit einem Baby, alles zur selben Zeit.
Irgendetwas bedrückt sie, dachte Ronald. Es war kaum wahrzunehmen … nur ein schwaches Stirnrunzeln. War an diesem Morgen etwas schief gelaufen, das ihm entgangen war? Wenn es eine Lücke im System gab, dann musste er es herausfinden und ausnutzen. Aus diesem Grunde war er eingeschleust worden.
Charity servierte eine weitere Runde Kaffee an einem Vierertisch, scherzte mit einem kahlköpfigen Mann, bahnte sich dann einen Weg zu Ronald. »Ich glaube, die Krise ist vorbei.« Sie lächelte ihn an, aber erneut spürte er etwas Unterschwelliges … Verärgerung? Enttäuschung?
»Gibt es etwas, das Sie nicht tun?«
»Ich versuche mich aus der Küche herauszuhalten. Das Restaurant hat drei Sterne. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie eingesprungen sind.«
»Schon gut.« Er stellte fest, dass er sie gern lächeln sehen wollte. Richtig lächeln. »Die
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