Das Geheimnis von Orcas Island
feminin mit der Spitze und den Kissen, den lieblichen Düften und zarten Farben. Dennoch hieß es einen Mann willkommen, ließ ihn wünschen, ließ ihn begehren. Es ließ ihn eine Stunde, eine Nacht in der Zartheit, der Behaglichkeit verbringen wollen.
Er überquerte den handgeknüpften Teppich, begrub seine Selbstabscheu und durchsuchte ihre Kommode.
Er fand einige Schmuckstücke, die er für Erbstücke hielt. Sie gehören in einen Safe, dachte er, ärgerlich auf Charity. Er fand eine Flasche Parfüm. Er wusste genau, wie es roch. Wie ihre Haut. Beinahe hätte er danach gegriffen, bevor er sich beherrschte. Nicht Parfüm interessierte ihn, sondern Beweismaterial.
Ein Stapel Briefe fiel ihm ins Auge. Von einem Liebhaber? fragte er sich und verdrängte die plötzliche Eifersucht, die er als lächerlich empfand.
Der Raum macht mich verrückt, dachte er, während er das schmale Satinband aufknüpfte. Es war ihm unmöglich, sich Charity nicht in diesem Zimmer vorzustellen, auf das Bett gekuschelt, in etwas Weißem und Dünnem, das Haar offen und die Kerzen entzündet.
Er schüttelte sich, während er den ersten Brief entfaltete. Ein Zimmer mit einem rosa Teddybär ist nicht verführerisch, sagte er sich.
Das Datum verriet ihm, dass die Briefe während ihres College-Besuchs in Seattle geschrieben worden waren. Von ihrem Großvater, erkannte Ronald. Alle. Sie waren mit Zuneigung und Humor verfasst, und sie enthielten Dutzende von Anekdoten über das tägliche Leben im Gasthaus. Ronald legte sie wieder zurück, wie er sie vorgefunden hatte.
Ihre Kleidung war lässig, abgesehen von einigen wenigen Kleidern. Kräftige Stiefel, Turnschuhe, Hausschuhe und zwei Paar elegante Pumps standen im Schrank, sorgfältig geordnet, wie alles im Raum.
Außer einem Wecker lagen zwei Bücher auf ihrem Nachttisch, eine Sammlung Gedichte und ein Kriminalroman mit schaurigem Einband. Sie hatte eine Schachtel Schokolade in der Schublade und Chopin im tragbaren Stereogerät. Dutzende von Kerzen, verschieden weit abgebrannt, standen im Raum verteilt. An einer Wand hing eine Landschaft in dunklen, stürmischen Blau- und Grautönen. An einer anderen befand sich eine Sammlung von Fotos, die meisten im Gasthaus aufgenommen, viele von ihrem Großvater. Ronald suchte hinter jedem. Er entdeckte, dass die Tapete verblichen war, sonst nichts.
Ihre Räume waren sauber. Ronald stand mitten im Schlafzimmer, atmete den Geruch nach Kerzenwachs und Parfüm ein. Sie hätten nicht sauberer sein können, wenn man gewusst hätte, dass sie durchsucht werden sollten. Nach einer Stunde hatte er nur erfahren, dass sie eine ordnungsliebende Frau war, die lässige Kleidung und Chopin mochte und eine Schwäche für Schokolade und Krimis hatte. Warum machte sie das so faszinierend?
Mit finsterer Miene schob er die Hände in die Hosentaschen und kämpfte um Objektivität, wie er es nie zuvor hatte tun müssen. Alle Indizien deuteten darauf hin, dass sie in sehr dunkle Geschäfte verwickelt war. Alles, was er in den letzten vierundzwanzig Stunden entdeckt hatte, ließ darauf schließen, dass sie eine offene, ehrliche und hart arbeitende Frau war. Was sollte er glauben?
Er ging zur Tür am anderen Ende des Raumes. Sie führte hinaus auf eine winzige Veranda mit einer langen Treppe, die hinab zum Teich führte. Er wollte die Tür öffnen, hinaustreten und die frische Luft einatmen. Doch er wandte sich ab und ging auf dem Weg hinaus, auf dem er hereingekommen war.
Der Duft ihres Schlafzimmers blieb stundenlang bei ihm.
3. K APITEL
»Ich habe dir gesagt, das Mädchen taugt nichts.«
»Ich weiß, Mae.«
»Ich habe dir gesagt, dass es ein Fehler ist, sie einzustellen.«
»Ja, Mae.« Charity unterdrückte ein Seufzen. »Du hast es mir gesagt.«
»Wenn du ständig Streuner aufnimmst, wirst du zwangsläufig irgendwann gebissen.«
Charity widerstand – knapp – dem Drang zu schreien. »Das hast du mir gesagt.«
Mit einem zufriedenen Brummen beendete Mae die Reinigung ihres ganzen Stolzes – des achtflammigen Gasherdes. »Du bist zu weichherzig, Charity.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, ich hätte einen zu harten Schädel.«
»Das auch.« Da Mae eine Schwäche für ihre junge Arbeitgeberin hatte, schenkte sie ein Glas Milch ein und schnitt ein großes Stück von ihrem doppelten Schokoladenkuchen ab. Sie stellte beides auf den Tisch und sagte in energischem Ton: »Iss das jetzt. Durch mein Gebäck hast du dich als Kind immer besser gefühlt.«
Charity setzte
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