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Das Geheimnis von Orcas Island

Das Geheimnis von Orcas Island

Titel: Das Geheimnis von Orcas Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ihren Schreibtisch noch einmal zu durchsuchen, um zu sehen, ob sie irgendetwas liegen gelassen hatte, das ihm half, die Untersuchung voranzutreiben.
    Zumindest hätte es einfach sein sollen. Ronald blickte wieder aufs Meer hinaus. Er sollte es ohne Zögern tun können. Aber er konnte nicht. Sie vertraute ihm. Irgendwann in den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte er einen Punkt erreicht, an dem es ihm nicht möglich war, ihr Vertrauen zu verletzen.
    Das machte ihn nutzlos. Fluchend lehnte er sich an den Fensterrahmen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie völlig seine Fähigkeit untergraben, seinen Job zu erledigen. Es wäre das Beste für ihn gewesen, Conby anzurufen und sich von diesem Fall absetzen zu lassen. Es wäre lediglich darum gegangen, seinen Rücktritt gleich einzureichen, statt am Ende des Auftrags. Es war eine Frage der Pflicht.
    Aber auch das konnte er nicht. Es hatte nichts damit zu tun, dass er geliebt wurde, sich wie zu Hause fühlte. Er musste einfach daran glauben. Er musste außerdem seinen Job beenden und Charitys Unschuld beweisen. Das war eine Frage der Loyalität.
    Conby hätte gesagt, dass seine Loyalität dem Büro galt, nicht einer Frau, die er kaum eine Woche kannte. Und Conby hat sich geirrt, dachte Ronald, während er das Fernglas fortlegte. Es gab Zeiten, seltene Zeiten, in denen man die Gelegenheit hatte, etwas Gutes zu tun, etwas Richtiges.
    Wenn das Einzige, was er Charity geben konnte, ein blütenreiner Name war, so beabsichtigte er, ihn ihr zu geben. Und dann aus ihrem Leben zu verschwinden.
    Er stand auf und blickte sich im Raum um. Er wünschte, er wäre nichts weiter als der arbeitslose Vagabund, den sie in ihr Haus aufgenommen hatte. Wenn er es wäre, hätte er vielleicht ein Recht, sie zu lieben. Aber wie die Dinge standen, konnte er nichts weiter tun, als sie zu retten.

6. K APITEL
    Das Wetter erwärmte sich. Der Frühling brach aus, voller Pracht und Farben und Düfte. Die Insel war eine Fundgrube an Wildblumen, Laubbäumen und Vogelgesang. Im Morgengrauen, mit dünnen Nebelschwaden über dem Wasser, war es ein mystischer, zeitloser Ort.
    Ronald stand am Straßenrand und beobachtete den Sonnenaufgang, wie er es wenige Tage zuvor getan hatte. Er kannte die Namen der Blumen nicht, die in einem Gewirr neben der Straße wuchsen. Er konnte das Lied eines Eichelhähers nicht von dem eines Spatzen unterscheiden. Aber er wusste, dass Charity draußen mit ihrem Hund rannte und dass sie auf dem Rückweg an der Stelle vorbeikommen würde, an der er stand.
    Er musste sie sehen, mit ihr reden, mit ihr zusammen sein.
    Am Vorabend war er in ihre Geldschublade eingebrochen und hatte die Scheine untersucht, die sie ordentlich gebündelt aufbewahrte. Er hatte über zweitausend Dollar in gefälschter kanadischer Währung gefunden. Sein erster Impuls war gewesen, es ihr zu sagen, ihr alles zu unterbreiten, was er wusste. Doch er hatte diesen Impuls unterdrückt. Es ihr zu sagen würde Männern wie Conby nicht zum Beweis ihrer Unschuld genügen.
    Er hatte genug Beweise, um Block zu fassen. Und beinahe genug, um Bob ebenfalls zu verhaften. Aber er konnte die beiden nicht festnehmen, ohne Charity in Verdacht zu bringen. Nach ihrem eigenen Eingeständnis und nach den Aussagen ihres loyalen Personals konnte im Gasthaus keine Stecknadel fallen, ohne dass sie nicht davon wusste.
    Wenn das stimmte, wie konnte er dann beweisen, dass ohne ihr Wissen beinahe zwei Jahre lang ein Falschmünzer- und Schmugglerring direkt vor ihrer Nase operiert hatte?
    Er glaubte es, und zwar so fest, wie er je etwas geglaubt hatte. Conby und die anderen im Büro wollten Fakten. Ronald rauchte seine Zigarette und beobachtete, wie der Nebel mit der aufgehenden Sonne wich. Er musste ihnen Fakten liefern. Solange er das nicht konnte, wollte er ihnen gar nichts liefern.
    Er könnte warten, bis Block mit seiner Reisegesellschaft das nächste Mal den Gasthof aufsuchte. Damit würde er – Ronald – Zeit gewinnen. Genug Zeit, um dafür zu sorgen, dass Charity nicht mittendrin steckte. Wenn der große Knall kam, würde sie wie gelähmt und verletzt sein. Sie würde es überwinden. Wenn alles vorüber war und sie von seiner Rolle dabei erfuhr, würde sie ihn hassen. Er würde es überwinden. Er würde es müssen.
    Er hörte einen Wagen, schaute auf und richtete den Blick dann wieder aufs Wasser. Er fragte sich, ob er eines Tages zurückkehren könnte und am selben Fleck stehen und darauf warten, dass Charity über die

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