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Das Geheimnis von Orcas Island

Das Geheimnis von Orcas Island

Titel: Das Geheimnis von Orcas Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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setzte er sich neben sie auf das Fensterbrett und legte geistesabwesend eine Hand auf ihr Knie. Diesmal, anstatt Feuer, war einfach Wärme da.
    »Ja, es ist ein Junges dabei. Ich glaube, es sind dieselben, die ich vor ein paar Tagen gesehen habe.« Sie schloss eine Hand um seine, während sie beide aufs Meer hinausstarrten. »Sie sind großartig, nicht wahr?«
    »Ja.« Er konzentrierte sich auf das Junge, das gerade zwischen den beiden größeren Walen zu sehen war. »Ich habe eigentlich nicht erwartet, wirklich welche zu sehen.«
    »Warum nicht? Die Insel ist nach ihnen benannt worden.« Charity kniff die Augen zusammen in dem Versuch, den Weg der Wale zu verfolgen. Sie brachte es nicht übers Herz, Ronald um das Fernglas zu bitten. »Meine erste klare Erinnerung an einen Wal reicht zurück zu der Zeit, als ich etwa vier war. Pop nahm mich mit hinaus in seinem jämmerlich kleinen Boot. Keine zehn Meter entfernt schoss ein Wal aus dem Wasser. Ich schrie mir die Lunge aus dem Leib. Ich dachte, er würde uns ganz und gar verschlingen.« Lachend lehnte sie sich an den Fensterrahmen zurück. »Er folgte uns zehn oder fünfzehn Meter. Danach bedrängte ich Pop gnadenlos, mich wieder mit hinauszunehmen.«
    »Und? Tat er es?«
    »Jeden Montagnachmittag in jenem Sommer. Wir sahen nicht immer Wale, aber es waren herrliche Tage. Die schönsten Tage.« Sie wandte das Gesicht in den Wind. »Ich muss mich glücklich schätzen, ihn so lange gehabt zu haben, aber es gibt Zeiten – wie jetzt –, wo ich nicht umhin kann zu wünschen, er wäre hier.«
    »Wie jetzt?«
    »Er liebte es, die Wale zu beobachten«, sagte Charity leise. »Selbst als er krank war, richtig krank, saß er stundenlang am Fenster. Eines Nachmittags fand ich ihn hier sitzend, mit dem Fernglas auf dem Schoß. Ich dachte, er sei nur eingeschlafen, aber er war tot.« Ihre Stimme wurde rau. »Er hätte es so gewollt – einfach zu entschlummern, während er nach Walen Ausschau hielt. Seit seinem Tod konnte ich es nicht über mich bringen, mit dem Boot hinauszufahren.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie dumm.«
    »Nein.« Ronald ergriff ihre Hand und verschränkte die Finger mit ihren. »Das ist gar nicht dumm.«
    Sie drehte das Gesicht zu ihm. »Du kannst ein netter Mann sein.« Das Telefon klingelte. Sie stöhnte, aber sie glitt pflichtbewusst vom Fensterbrett, um es zu beantworten.
    »Hallo. Ja, Bob. Was soll das heißen, dass er nicht mehr liefern will? Zum Teufel mit der neuen Leitung. Wir kaufen seit zehn Jahren bei dieser Firma. Ja, in Ordnung. Ich komme sofort. Oh, Moment.« Sie blickte vom Telefon auf. »Ronald, sind die Wale noch da?«
    »Ja. Auf dem Weg nach Süden. Ich weiß nicht, ob sie den Kleinen füttern oder nur einen Nachmittagsbummel machen.«
    Sie lachte und hielt den Hörer wieder an ihr Ohr. »Bob … Was? Ja, das war Ronald.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ja, wir sind in meinem Zimmer. Ich habe ihn gerufen, weil ich eine Herde Wale vom Schlafzimmerfenster aus entdeckt habe. Vielleicht sollten Sie es den Gästen sagen, die in der Nähe sind. Nein, Sie haben keinen Grund, sich um mich zu sorgen. Warum sollten Sie? Ich komme gleich runter.«
    Kopfschüttelnd legte sie den Hörer auf. »Ich scheine das Haus voller Aufpasser zu haben«, murmelte sie.
    »Probleme?«
    »Nein. Bob hat gehört, dass du in meinem Schlafzimmer bist, und da kehrte er den großen Bruder heraus. Typisch.« Charity holte ein Haarband aus einer Schublade und band sich mit einigen raschen Bewegungen das Haar aus dem Gesicht. »Letztes Jahr hat Mae gedroht, einen Gast zu vergiften, der einen Annäherungsversuch bei mir unternahm. Man könnte meinen, ich wäre fünfzehn.«
    Ronald drehte sich um und musterte sie. Sie trug Jeans und ein T-Shirt mit aufgedrucktem Plan der Insel. »Ja, das könnte man.«
    »Das sehe ich nicht als Kompliment an.« Doch sie hatte keine Zeit, sich darüber auszulassen. »Ich muss unten eine kleine Krise bewältigen. Du kannst gern bleiben und die Wale beobachten.« Sie ging zur Tür, blieb dann aber stehen. »Jetzt hätte ich es fast vergessen. Kannst du Regale bauen?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Großartig. Ich könnte im Salon in der Suite welche gebrauchen. Wir reden noch darüber.«
    Er hörte sie die Treppe hinunterlaufen. Welche Krise auch immer am anderen Ende des Gasthauses eingetreten sein mochte, er war überzeugt, dass Charity sie bewältigen würde. In der Zwischenzeit hatte sie ihn allein in ihrem Zimmer gelassen. Es wäre sehr einfach,

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