Das Geheimnis von Sittaford
Aktien, die seines Erachtens in den nächsten Tagen steigen mussten, Geld aus der Kasse genommen. Nun, das Glück lächelte ihm: Die Aktien stiegen tatsächlich, das Geld wurde heimlich wieder in die Kasse zurückgelegt, und Pearson schien die Fragwürdigkeit seiner Handlungsweise gar nicht zu empfinden. Eine Woche später wiederholte er das Ganze, doch diesmal hatte er Pech, dass eine unerwartete Kassenrevision anberaumt wurde. James Pearson sah den Abgrund, der sich vor ihm auftat, und nachdem er verschiedene Bittgänge umsonst gemacht hatte, suchte er als letzten Rettungsanker seinen Onkel in Exhampton auf. Doch Captain Trevelyan weigerte sich, ihm aus der Patsche zu helfen. Sie sind klug genug, Emily, um einzusehen, dass die Polizei nach Bekanntwerden dieser Tatsachen erst Recht Grund hat, ihn für den Täter zu halten, denn in dem Augenblick, da Captain Trevelyan tot war, konnte Pearson leicht von Mr Kirkwood die nötige Summe als Vorschuss aus dem Erbteil erbitten, sie rechtzeitig genug in die Kasse zurücklegen und so die Gefahr, wegen Unterschlagung angezeigt zu werden, abwenden.»
«Oh, dieser Idiot!» schluchzte Emily hilflos auf.
«Richtig», versetzte Mr Dacres trocken. «Infolgedessen bleibt uns nichts anderes übrig, als glaubhaft zu machen, dass James Pearson von dem Vorteil, der ihm aus Trevelyans Tod erwuchs, nichts gewusst hat.»
«Das wird uns nicht gelingen, Mr Dacres», entgegnete Emily nach kurzem Nachdenken. «Alle drei haben es gewusst – Sylvia, Jim und Brian; sie haben oft darüber gesprochen und über den reichen Erbonkel in Devonshire gelacht und gescherzt.»
«Kind, Kind, das ist ja trostlos!»
«Sie halten ihn für schuldig, Mr Dacres?» forschte sie.
«Seltsamerweise, nein», erwiderte der Anwalt. «In gewisser Hinsicht muss man James Pearson als einen sehr durchsichtigen jungen Mann bezeichnen. Er hat – entschuldigen Sie das freimütige Urteil, Emily – keinen sehr hohen Begriff von kaufmännischer Ethik, aber ich glaube nicht eine Sekunde, dass seine Hand den Captain niederschlug.»
«Nun, das ist doch wenigstens etwas», warf Emily hin. «Ich wünschte, die Polizei hegte dieselbe Meinung.»
«Das wünschte ich auch, denn unsere Eindrücke und Urteile sind so gut wie nutzlos. Das Belastungsmaterial ist erdrückend, mein Kind, und daher möchte ich Ihnen vorschlagen, die Sache dem gerissensten Strafverteidiger, den wir haben, anzuvertrauen. Lorimer heißt er – aber ebenso bekannt ist er unter seinem Spitznamen ‹der Mann der verlorenen Hoffnungen›.»
«Sie haben James doch gesprochen, nicht wahr?»
«Gewiss.»
«Haben Sie das Gefühl, dass er Ihnen in jeder Beziehung die Wahrheit gesagt hat?» Und in ihrer klaren, bündigen Art legte Emily Trefusis die Ansicht dar, die etliche Stunden zuvor Charles Enderby geäußert hatte.
Der Anwalt überlegte lange und reiflich, ehe er sich zu einer Entgegnung entschloss.
«Ja, Emily, ich habe den Eindruck, dass er die Wahrheit sagt – trotzdem werde ich ihm ins Gewissen reden. Und nun hören Sie, warum ich die Idee Ihres jungen Journalisten für falsch halte: Etwa gegen acht Uhr dreißig machte die Nachricht von Trevelyans Ermordung in Exhampton die Runde. Um diese Zeit war der letzte Zug nach Exeter bereits abgefahren, aber James Pearson wählte den allerersten Morgenzug – ein durchaus unkluges Vorgehen nebenbei, da diese Abreise bei Morgengrauen die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, was fraglos nicht geschehen sein würde, hätte er eine üblichere Stunde gewählt. Wenn er nun, wie Sie mutmaßen, kurz nach halb fünf den Leichnam seines Onkels entdeckt hätte, so wäre er sicher sofort abgereist, anstatt in Exhampton zu übernachten – es gibt nämlich einen Zug gegen sechs und einen späteren um ein Viertel vor Acht.»
«Ja, das leuchtet mir ein», gestand Emily. «Ich habe ihn genau ausgefragt, wie er in Captain Trevelyans Haus gelangt sei», fuhr der Anwalt fort, «und er sagt, dass sein Onkel ihn angewiesen habe, die Schuhe auszuziehen und sie auf der Schwelle stehen zu lassen. Das erklärt übrigens, dass keine feuchten Spuren in der Diele entdeckt wurden.»
«Und hat er nicht vielleicht erwähnt, dass er irgendeinen Ton oder Laut hörte, der auf die Anwesenheit eines Dritten im Haus hinweisen würde?»
«Nein. Aber ich werde ihn danach fragen.»
«Ich danke Ihnen, Mr Dacres. Können Sie ihm ein paar Zeilen von mir übermitteln?»
«Sofern die Behörden sie lesen dürfen, ja.»
«Oh, ich werde sie sehr diskret
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