Das Geheimnis von Sittaford
zurückgesandt.»
«Vielleicht hätte ich Verdacht schöpfen müssen…» begann Violet. Doch ihre Mutter unterbrach sie.
«Wieso, mein Kind? Es war sehr geschickt eingefädelt. Außerdem ist durch ihren Besuch kein Schaden angerichtet worden.»
«Aber weshalb kam sie?»
«Wahrscheinlich ohne einen bestimmten Grund. Sie wird überall herumspionieren. Weiß Mrs Curtis genau, dass sie und James Pearson verlobt sind?»
«Miss Trefusis soll es Mr Rycroft erzählt haben, aber Mrs Curtis sagt, sie hätte es auch gleich vermutet.»
«Nun, dann ist das Ganze natürlich genug. Das arme Ding späht ziellos nach etwas aus, das helfen könnte.»
«Du hast sie nicht gesehen, Mama, sie ist nicht ziellos.»
«Ja, ich wünschte, ich hätte sie gesehen. Meine Nerven ließen mich aber heute Vormittag völlig im Stich. Eine Nachwirkung von dem Verhör, das der Inspektor gestern anstellte.»
«Ach, Mama, du hast dich bewunderungswürdig benommen! Wenn ich nur nicht so eine Gans gewesen wäre. Ich schäme mich, dass ich mich unterkriegen ließ und ohnmächtig wurde. Und du so besonnen und ruhig…»
«Mein Kind, ich habe es gelernt, mich im Griff zu haben», sagte Mrs Willett hart. «Hättest du dasselbe durchgemacht wie ich – aber Gott verhüte es! Ich vertraue fest darauf, dass vor dir ein glückliches, friedliches Leben liegt.»
Violet schüttelte den Kopf. «Ich habe Angst, Mama…»
«Unsinn! Und was deine Ohnmacht angeht, so wird sie auch keine schlimmen Folgen haben, Violet.»
«Aber der Inspektor… muss er nicht denken…»
«Dass du bei der Erwähnung von James Pearson ohnmächtig wurdest? Ja, der wird sich allerdings seinen Teil denken, denn er ist kein Trottel. Doch was tut’s? Er wird einen Zusammenhang argwöhnen… und suchen… und ihn nicht finden.»
«Meinst du wirklich?»
«Ausgeschlossen! Vertraue mir nur! Vielleicht war deine Ohnmacht eine glückliche Fügung; so wollen wir es jedenfalls betrachten.»
Die Unterhaltung Nr. 2 wurde in Major Burnabys Wohnung geführt und war insofern etwas einseitig, als Mrs Curtis einen schweren Stand hatte, da der Major sie verschiedentlich innerhalb der letzten halben Stunde an die ihrer harrende Wäsche erinnerte.
«Genau wie meine Tante Belinda – hab ich heute Morgen noch zu Curtis gesagt», erläuterte Mrs Curtis triumphierend. «Eine ganz Unergründliche und eine, die alle Männer um den kleinen Finger wickeln kann.»
Ein langes Grunzen kam als Antwort von Major Burnaby.
«Mit dem einen jungen Mann verlobt sein und mit einem anderen in der Welt herumziehen! Oh, die ist meiner Tante Belinda noch über. Und nicht aus Spaß treibt sie’s so, o nein… Wie gesagt, die ist ein tiefes Wasser. Und nun auch noch den jungen Mr Garfield! Ihn wird sie eingewickelt haben, ehe Sie Halt sagen können. Niemals hat ein junger Mann ein dämlicheres Gesicht gemacht als er heute Morgen – und das ist ein sicheres Zeichen.»
Sie holte tief Atem. «Gut, gut», nutzte der Major schnell die Pause, «lassen Sie sich bitte nicht länger aufhalten, Mrs Curtis.»
«Ja, Curtis wird auch seinen Tee haben wollen», erwiderte sie, ohne sich vom Fleck zu rühren. «Ich habe zeitlebens nicht zu denen gehört, die herumstehen und schwatzen. Immer fix bei der Arbeit, das ist mein Wahlspruch. Übrigens, da wir gerade von der Arbeit reden, wie wär’s, Sir, wenn ich Ihre Wohnung mal wieder gründlich sauber machte?»
«Nein!» rief Burnaby.
«Es ist aber schon einen Monat her.»
«Nein! Ich liebe es, meinen Kram auch im Dunkeln zu finden. Und nach so einem verdammten Hausputz liegt nichts mehr an seinem alten Fleck!»
Mrs Curtis seufzte. Sie putzte, scheuerte und klopfte mit Leidenschaft.
«Captain Wyatts Haus vertrüge zum Frühjahr auch eine Generalreinigung», meinte sie tadelnd. «Was versteht dieser kleine Inder schon von Sauberkeit?»
«Nichts geht über einen indischen Boy», knurrte Major Burnaby. «Der kennt seinen Dienst und hält keine Reden.»
Aber diese bestimmt nicht verblümte Anspielung prallte an Mrs Curtis ab, da sie in Gedanken inzwischen zu einem früheren Gespräch zurückgekehrt war.
«Zwei Telegramme hat sie bekommen – zwei innerhalb einer halben Stunde. Doch während mir der Schreck in alle Glieder fuhr, war sie beim Lesen so kühl wie ein Eiszapfen. Und dann sagte sie mir, dass sie nach Exeter fahren und nicht vor morgen zurück sein würde.»
«Hat sie den jungen Mann mitgenommen?», erkundigte sich der Major hoffnungsvoll.
«Nein, der ist noch
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