Das Geheimnis von Turtle Bay
Zweitens musste sie versuchen, ihre Kamera wiederzufinden. Als Bree sich aufs Tauchen vorbereitete, war Daria mit der Kamera zugange gewesen, um ein paar Probeaufnahmen zu schießen. Vielleicht fand sich auf den Fotos ein Hinweis, womöglich ein anderes Schiff, das sich in der Nähe aufhielt. Und sie musste Dave Mangold anrufen, ihren Freund bei der Civil Air Patrol, weil sie einen Ansatzpunkt brauchte, um überhaupt etwas unternehmen zu können.
Auch wenn Sam Travers sie hasste, würde sie ihn bitten, für ihre Suche sein großes Bergungsschiff benutzen zu dürfen. Notfalls würde sie ihn auch anheuern, wenn er darauf bestand. Die Küstenwache und die Civil Air Patrol konnten jede Hilfe gebrauchen. Außerdem verfügte Sam über dieses teure Echolot, und wenn sich damit Fischschwärme und Wracks auf dem Grund des Golfs orten ließen, dann …
Sie schlug die Hände vors Gesicht und atmete schluchzend ein. Allein der Gedanke, die Mermaids II könnte gekentert sein, ließ sie vor Entsetzen zittern. Das durfte nicht passiert sein, trotzdem musste sie auch diese Möglichkeit in Erwägung ziehen, wenn sie die Antworten bekam, die ihr niemand sonst geben konnte. Wenn sie Daria verlieren sollte, dann war das fast so, als würde sie selbst sterben.
Langsam stand sie auf. Sie fühlte sich ein wenig schwach, aber ihr war nicht richtiggehend schwindlig. O Mann, wie sehr sie diese Krankenhauskittel hasste. Wenigstens hatte man inzwischen alle Versorgungskanülen entfernt. Sie hatte sich gezwungen, das Mittagessen zu sich zu nehmen – Tomatensuppe und ein halbes getoastetes Käsesandwich –, damit sie ein wenig zu Kräften kam und Amelia sowie den Krankenschwestern weismachen konnte, sie habe sich von der körperlichen Tortur gut erholt.
Sie schlurfte quer durchs Zimmer, schloss die Tür zum Flur und hoffte damit anzuzeigen, dass sie schlafen und in Ruhe gelassen werden wollte. Wo Amelia die mitgebrachte Straßenkleidung verstaut hatte, wusste sie zum Glück. Sie konnte ja schlecht in ihrem Taucheranzug aus dem Gebäude spazieren. In dem winzigen Badezimmer zog sie Hose, Schuhe, Bluse und eine dazu passende Jacke an – es war ja klar, dass Amelia nicht auf die Idee gekommen war, ihr die unauffälligere Arbeitskleidung mitzubringen –, als plötzlich das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Sie würde rangehen müssen, zumal es jemand von der Küstenwache oder der Air Patrol sein konnte.
Nach dem vierten Klingeln hob sie den Hörer hoch. „Briana Devon.“
„Briana! Cole DeRoca hier. Ich bin unten in der Lobby mit einem Freund von dir, einem gewissen Manny. Er hat gehört, wie ich am Empfang gefragt habe, ob du heute Nachmittag Besucher empfangen darfst. Aber sie wimmeln uns ab, und ich erfahre nicht mal, wie es dir geht.“
Prompt schlug ihr Herz schneller. Ihre Gebete waren erhört worden, zumindest zum Teil.
„Cole“ , sagte sie und versuchte, nicht vor Erleichterung zu weinen. Das war ganz eindeutig ein Zeichen, mit ihrem Plan fortzufahren. „Du bist ein Geschenk des Himmels. Ich bin nämlich auf dem Weg nach draußen und brauche jemanden, der mich nach Hause fährt. Amelia ist momentan nicht da. Ich bin in einer Minute unten, aber sag Manny, er soll noch bleiben, okay? Und falls sich noch Reporter in der Lobby aufhalten …“
„Drei Stück, davon zwei mit Kameramann.“
„In dem Fall soll sich Manny mit uns am Geschäft in Turtle Bay treffen, und du wartest bitte am Eingang zur Notaufnahme auf mich, okay?“
„Wird gemacht, aber bist du wirklich schon wieder kräftig genug?“
„Kräftig genug, um alles Notwendige zu unternehmen, damit ich meine Schwester finde“ , erklärte sie und legte auf, bevor er weitere Fragen zu ihrer plötzlichen Entlassung stellen konnte.
Auf dem Weg zur Tür kam sie sich wie ein Häftling vor, der aus dem Gefängnis ausbrechen wollte. In letzter Sekunde dachte sie daran, der Krankenschwester eine Notiz zu hinterlassen. Sie schrieb, es gehe ihr gut und sie unternehme einen Spaziergang. Das entsprach prinzipiell der Wahrheit, und sie verschwieg lediglich, dass sie vermutlich auch einen Tauchgang folgen lassen würde.
Sie spähte hinaus in den Gang, und als niemand zu sehen war, verließ sie ihr Zimmer und trug dabei Coles orangefarbene Orchidee an sich gedrückt.
5. KAPITEL
„Übernachtet Amelia heute bei dir?“ , fragte Cole, während sie das Krankenhaus hinter sich ließen. Sie bogen auf den stark befahrenen Tamiami Trail ein und fuhren nach Süden in Richtung
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