Das Geheimnis von Turtle Bay
Wenn er nur bereit wäre, ihr zu helfen …
„Rufen Sie uns an, wenn Sie es sich anders überlegen“ , meldete sich Nikki zu Wort. Bree entging nicht, dass die Frau sie aufmerksam musterte. Vielleicht war sie neugierig, wie jemand aussah, den ein Blitz getroffen hatte. Und doch besaß sie etwas leicht Gereiztes – oder war das nur überschäumende Energie und Begeisterung in ihren großen blauen Augen? „Hier“ , fuhr sie fort. „Ich schreibe Ihnen für alle Fälle die Nummern unserer beiden Mobiltelefone auf. Und wenn Sie irgendetwas brauchen, dann bin ich erheblich leichter zu erreichen als mein Mann.“
Bree nahm den Zettel an sich, obwohl Amelia auch danach zu greifen versuchte. Nach weiteren Genesungswünschen und dem Versprechen, nach Kräften zu helfen, verabschiedeten sie sich. Als die Tür aufging, konnte Bree einen kurzen Blick auf Mark Denton werfen, der sie an einen von diesen Typen vom Secret Service erinnerte, die sich immer um den Präsidenten scharten. Dieser Witz vom Weißen Haus, den Josh gerissen hatte … er kam ihr gar nicht mehr wie ein Witz vor.
„Jetzt halt dich an seinen Ratschlag und ruh dich etwas aus. Ich bin mir sicher, dass er uns helfen wird“ , meinte Amelia und schlug die Zeitung auf, aus der ihr eine von seinen ‚Vertrauen Sie Josh Austin’-Broschüren entgegenfiel. „Siehst du?“ Sie zeigte auf die Broschüre. „Endlich mal eine Werbung, die die Wahrheit sagt.“
Später am Tag war Bree endlich allein. Nach einem ausführlichen und erfreulichen Bericht vom Neuropsychologen aus Fort Myers, der sie einfachen Gedächtnisübungen, einem IQ-Test und einem Spiel unterzogen hatte, bei dem ihre Organisationsfähigkeit getestet wurde, befand sich endlich einmal kein medizinisches Personal im Zimmer. Auch Amelia war gegangen, um ihre Jungs – den sechsjährigen Jordan und den acht Jahre alten James – nach der Schule zu ihrer Nachbarin zu bringen, damit sie anschließend wieder herkommen konnte.
Amelia hatte ihr die vom Salzwasser verkrusteten Haare gewaschen und dabei erzählt, wie das schon ihre Aufgabe gewesen war, als die Zwillinge noch klein waren. Der Verband um Brees Handgelenk wurde gewechselt, und die Krankenschwester hatte ihr gezeigt, wie sie eine Plastikfolie über den Verband ziehen musste, damit sie duschen konnte, was sie dann auch direkt in die Tat umsetzte, bevor Amelia sich auf den Weg machte. Bree hatte gleich noch einen ganzen Stapel dieser Folien vom Rollwagen der Krankenschwester genommen, da sie wusste, dass sie die noch benötigen würde.
Sie musste von hier verschwinden. Ihr war egal, ob man sie noch weiter beobachten wollte, denn sie war diejenige, die Daria aufspüren sollte, auch wenn sie notfalls den ganzen Golf nach ihr absuchen musste. Sie würde sich von Manny zum Frachterwrack bringen lassen und versuchen, von dort aus mit irgendeinem befreundeten Taucher Darias Weg zu folgen.
Es gefiel ihr nicht, sich aus dem Krankenhaus zu schleichen, doch ihr fehlte sicher nichts, wenn sie davon absah, dass ihre Augen und Ohren die Umwelt immer noch ein wenig fremdartig wahrnahmen. Dr. Hawkins hatte gesagt, falls ihre Ohren klingelten, würde sich das bald wieder legen. Also konnte sie davon ausgehen, dass die anderen Auffälligkeiten auch nicht von Dauer waren. Da er darauf bestand, sie mindestens noch einen Tag lang zu beobachten und ihr anschließend mehrere Tage strengste Bettruhe zu verordnen, war Amelia fest entschlossen, sie mit zu sich nach Hause zu nehmen.
Da sie nicht nur äußere Verbrennungen erlitten hatte, sondern sich auch innerlich ausgebrannt fühlte, würden der Arzt und Amelia alles unternehmen, um sie vom Tauchen abzuhalten. Vermutlich würde sie Manny genauso belügen müssen wie jeden, der ihr beim Tauchgang helfen wollte, und vorgeben, wieder kerngesund zu sein. Aber sie tat das nur, um ihre Schwester wiederzufinden. Was sollte ihr denn passieren? Wer wollte sie festnehmen oder sogar einsperren, nur damit sie nicht tauchte? Ihr war alles egal, solange sie nach Daria suchen konnte. Auf keinen Fall würde sie geduldig darauf warten, dass man sie morgen vielleicht entließ. Da konnte es schon zu spät sein, obwohl … selbst jetzt konnte es bereits zu spät sein!
Bree hatte sich den Kopf zerbrochen, was mit ihrer Zwillingsschwester passiert sein mochte. Als Erstes wollte sie feststellen, ob der Anker des Boots beim Frachterwrack zu finden war. Hatte man ihn gelichtet, oder war die Kette gekappt oder über Bord geworfen worden?
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