Das Geheimnis von Turtle Bay
wo die Mündung des Marco River mit den Gezeitenströmungen und den Wellen des Golfs zusammentraf, stiegen Wirbel aus Sand und Schlick auf und sanken nur langsam wieder zu Boden. Der dunkle Grund erschien ihr wie ein sich windendes Lebewesen, das Dinge verschluckte und wieder ausspuckte.
Wenn ein Taucher aufhörte, mit den Beinen zu rudern, und sich ein paar Minuten lang ruhig verhielt, wurde die Sicht für gewöhnlich ein wenig besser, doch hier galt diese Faustregel nicht. Selbst mit den leistungsfähigen Lampen von Sams Tauchern konnte Bree nur etwas mehr als einen Meter weit sehen. Zum Glück führte jeder von ihnen eine Schreibtafel am Gürtel mit sich, da sogar die Handzeichen der anderen nur schwer auszumachen waren.
Sie blieb dicht bei Cole – oder er bei ihr, da war sie sich nicht sicher. Die vier folgten exakt dem zuvor vereinbarten Spiralmuster, in dem sie sich über den Grund bewegten. Nachdem sie in der Mitte der Fahrrinne ihren Ausgangspunkt markiert hatten, schwammen sie Seite an Seite in einem sich ausdehnenden Kreis, wobei sie von Zeit zu Zeit die Positionen tauschten, weil die äußeren Taucher am meisten mit der Strömung zu kämpfen hatten.
Zudem mussten sie sich dicht über dem Grund halten, da manche Yacht mit beachtlichem Tiefgang über sie hinwegfuhr. Allerdings war das eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn selbst bei den größten Yachten betrug der Abstand immer noch gut fünf Meter. Sie hatten sich ein Stück weit von der Barkasse entfernt, um die Suche zu beginnen, aber sie würden noch vorsichtiger sein müssen, wenn sie an der markierten Stelle wieder auftauchten.
So sehr Bree es bisher selbst unter schwierigen Bedingungen geliebt hatte zu tauchen, und obwohl diese Suche auf ihr eigenes Drängen hin unternommen wurde, wurde sie plötzlich von Panik erfasst und wollte nur noch raus aus dem Wasser. Sie hätte auf Cole hören und nicht tauchen sollen. Das war eine dämliche Idee von ihr gewesen. Die gesamte Golfregion war riesengroß, und Daria und das Boot konnten überall und nirgends zu finden sein.
Außerdem störte sie dieses übersteigerte Hörvermögen ganz beträchtlich. Sie hätte Ohrstöpsel tragen sollen. So jedoch machte es sie nahezu wahnsinnig, all diese Geräusche wahrnehmen zu müssen, wenn bei einem von ihnen versehentlich das Tauchermesser gegen den Tank schlug, wenn eine Yacht über ihnen passierte und das Dröhnen der Motoren an Brees Ohren drang oder wenn ein Schwall Luftblasen aufstieg – ganz zu schweigen von den panischen Schreien, die nur in ihrem Kopf existierten.
Wenn einer der anderen unabsichtlich den Lichtkegel seiner Lampe auf sie richtete, war das wie ein Stich, der sich bis ins Gehirn fortsetzte. Sogar wenn ein Lichtstrahl von Lance’ mattierter Maske reflektiert wurde, war es für sie immer noch zu hell. Aber wenn sie schon besser sah als früher, würde ihr das helfen können, hier unten etwas zu entdecken. Sie zwang sich dazu, die trüben Wirbel im Wasser mit ihren Blicken zu durchdringen, während sie alle in südliche Richtung abbogen.
Plötzlich bemerkte sie ein gräuliches Schimmern wie von Metall. Es konnte irgendetwas sein, was jemand verloren oder über Bord geworfen hatte. Aber es erinnerte Bree an ein geschwungenes Geländer aus Aluminium, wie es auf der Mermaids II dort zu finden war, wo man aus dem Wasser kommend auf das Achterdeck gelangte. Sie löste sich von der Gruppe und berührte das kalte Metall, das in Sand und Schlick halb versunken war.
Es kam Bree vor, als hätte das Metallstück sie zu sich gerufen. Cole war dicht hinter ihr, aber sie wusste nicht, wo die beiden anderen Taucher waren. Für sie stand nur fest, dass sie hier suchen musste, wenn auch abseits vom vereinbarten Spiralmuster.
Dann entdeckte sie ein über einen Meter langes Teil aus glänzend weißem Metall, das ebenfalls stellenweise mit Sand bedeckt war. Es sah neu oder zumindest sehr gepflegt aus, was man auch über ihr Boot sagen konnte. Sie wischte an einer Ecke den Sand weg und legte ein verdrehtes Teilstück frei, bei dem es sich um das Heck eines Boots handelte. Ihr und Darias Boot. Davon war sie fest überzeugt, denn auf dem verbeulten Metall war im hellen Schein ihrer Lampe ein Teil des Namens Mermaids II zu lesen: MA D I
Bree schnappte so hastig nach Luft, dass sie fast ihr Mundstück ausgespuckt hätte. Cole griff nach ihrem Handgelenk, aber sie zog rasch ihre Hand zurück. Während sie den Lichtkegel ihrer Lampe mal nach links, mal nach rechts
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