Das Geheimnis von Vennhues
obwohl Rosamunde Pilcher läuft?«
Er runzelte die Stirn. »Rosamunde Pilcher?«
»Sonntagabends im ZDF.« Heike schien amüsiert. »Bislang habe ich noch keine Folge verpasst.«
»Diesen Schrott siehst du dir an?« Er konnte es nicht fassen.
»Nun sag schon, was willst du von mir?«
Er seufzte. »Ich stecke bei meinen Eltern in Vennhues fest. Mein Wagen hat eine Panne. Ich habe mir gedacht, dass ich am besten hier übernachte und morgen früh direkt zur Werkstatt ins Nachbardorf fahre. Dann käme ich allerdings ein bisschen später. Denkst du, das geht in Ordnung?«
»Natürlich. Bist du zum Treffen mit dem Staatsanwalt wieder da?«
»Davon gehe ich aus.«
»Also gut«, sagte sie. »Dann weiß ich Bescheid. Wenn also weiter nichts ist …«
Sie wollte zurück zu ihrem Fernseher.
Hambrock ließ den Blick wieder über das Dorf schweifen.
»Da wäre noch eine Sache«, sagte er. »Gestern habe ich alte Akten über den Mordfall van der Kraacht gelesen. Das war in den Achtzigern, lange vor unserer Zeit. Die Akten liegen noch immer auf meinem Schreibtisch. Darin gibt es eine Befragung, in der ein Zeuge oder eine Zeugin angibt, in den Tagen vor dem Mord einen Pkw gesehen zu haben. Ein fremdes Auto im Dorf, das niemandem zu gehören schien. Kannst du für mich nachsehen, wer diese Aussage gemacht hat?«
»Klar, kein Problem«, sagte sie. »Ich werde Philipp daransetzen.«
»Am besten gleich morgen früh. Dann kann ich vielleicht diesem Zeugen noch einen Besuch abstatten, bevor ich zurückfahre.«
Heike lachte am anderen Ende. »Das hört sich zwar alles sehr spannend und geheimnisvoll an, doch ich werde erst morgen früh danach fragen, was du da draußen eigentlich treibst. Jetzt muss ich wieder zu meinem Film.«
Hambrock bedankte sich und beendete das Gespräch. Dann wandte er sich wieder zum Dorf.
Der Wagen vor Eskings Kneipe hatte ihn an diese seltsame Aussage erinnert. Denn auch das Auto dort drüben schien in dieser Nacht nicht hierher zu gehören. Die Kneipe lag dunkel und verlassen neben dem Kirchhof, die Straßen waren wie ausgestorben. Der fremde Wagen wirkte wie ein Fremdkörper. Der Fehler in einem Suchbild.
Hambrock spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Er unterdrückte den Impuls, ins Dorf zu gehen und sich das Nummernschild des Wagens anzusehen. Schließlich lag das Verbrechen über zwanzig Jahre zurück. Weshalb auch immer dieses verlassene Auto dort vor dem Gasthaus stand, es hatte nichts mit diesen alten Geschichten zu tun.
Das Dorf versank allmählich in Nebelbänken. Es war wohl tatsächlich das Vernünftigste, hierzubleiben, dachte er. Auf dem Weg nach Münster gab es bestimmt bereits die ersten Unfälle im trügerischen Nebel. Das war immer so bei diesem Wetter.
Er ließ das Handy in die Manteltasche gleiten, dann drehte er sich um und ging zurück zum Hof seiner Eltern.
Die Hoflampe war an einen Bewegungsmelder angeschlossen. Die helle Birne leuchtete in dem Moment auf, in dem Peter Bodenstein durch die Tennentür ins Freie trat. Ihr Schein reichte über den brüchigen Asphalt bis zum Garagentor, dahinter verschwanden der Hof und die umliegenden Felder in der Dunkelheit.
Mit einem Weidenkorb unterm Arm machte sich Peter auf den Weg zur Melkkammer, die am Rande der Apfelwiese lag. Seit es auf dem Hof keine Kühe mehr gab, diente die Kammer seinem Vater als Lagerraum. Er hielt dort stets ein paar Kästen Bier kühl, und in großen Kisten lagerten die Äpfel der diesjährigen Ernte, die in den kommenden Tagen von einem Wagen der Saftfabrik abgeholt werden sollten.
Mit jedem Schritt entfernte sich Peter weiter von der Hoflampe. Nebel lag zwischen den Apfelbäumen und verschluckte jedes Geräusch. Von den Feldern zog feuchte Kühle herauf und legte sich wie ein Mantel über den Hof. Er schob den Riegel der Melkkammer beiseite und zog die Tür mit einem Ruck auf. Der schwarze Raum starrte ihn durch das Türloch an. Unwillig fasste er ins dunkle Innere und tastete nach dem Lichtschalter.
Dann hielt er inne. Ein sonderbares Gefühl ergriff ihn. Mit einem Mal glaubte er beobachtet zu werden. Er trat vorsichtig einen Schritt zurück und blickte zum Feldweg, der vom Hof in den Birkenwald führte. Doch es war nichts zu sehen. Die Grasnarbe verschwand bereits nach wenigen Metern in der Dunkelheit.
Peter wollte so schnell wie möglich zurück ins Haus. Eilig streckte er die Hand in den dunklen Raum. Er fand den Schalter und stand augenblicklich in hellem Licht. Mit schnellen Bewegungen legte
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