Das Geheimnis von Vennhues
Groningen. Die Kollegen vor Ort haben ihm einen Besuch abgestattet. Er lebt von der Wohlfahrt und ist vermutlich Alkoholiker. Vorstrafen liegen nicht gegen ihn vor.« Philipp wünschte, er könnte mit dieser Information etwas anfangen.
»Und was bedeutet das?«, fragte er.
»Nichts. Außer, dass dieser Mann wohl kaum für diesen Mord in Frage kommt. Aber bilden Sie sich besser selbst ein Urteil. Ich habe die Adresse und die Telefonnummer notiert.« Mit einem skeptischen Blick fügte er hinzu: »Am besten übergeben Sie das später Herrn Hambrock. Er weiß bestimmt, was damit anzufangen ist.«
Philipp tat, als hätte er die Bemerkung überhört, und räusperte sich. »Wollen wir dann anfangen?«
Eric ten Hoeve zuckte mit den Schultern. »Gern.«
Sie gingen hinüber zum Vernehmungsraum.
Philipp hatte kaum noch Hoffnung, dass er hier einen Mörder überführen könnte. Dennoch wollte er sich nicht zu früh geschlagen geben. Noch stand nicht fest, ob der Mann nicht doch etwas mit den Morden zu tun hatte. Er nahm sich vor, diesem Vogelfreund ordentlich auf den Zahn zu fühlen.
Als Erstes spürte Hambrock die Schmerzen. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann spürte er auch seinen trockenen Mund und den rauen Hals. Er hatte schrecklichen Durst.
Er wollte mit der Hand die Beule am Hinterkopf ertasten, doch er konnte sich nicht bewegen. Da war ein Widerstand, der ihn zurückhielt. Er war gefesselt.
Mühsam schlug er die Augen auf.
Er sah eine schmale Öffnung, dahinter den grauen Himmel. Es roch nach Kiefernholz und trockenem Laub. Irgendwo draußen zog ein Schwarm Wildgänse vorbei, gedämpft hörte er die Schreie. Auf dem Boden lag altes Bonbonpapier. Er war in einer Hütte.
Man hatte ihn auf eine Bank gesetzt. Seine Hände waren hinter einem Holzpfosten aneinandergekettet, offenbar mit Handschellen. Der Boden bestand aus Kiefernplanken, die Wände ebenfalls. Unterhalb der Öffnung in der Wand waren Tafeln angebracht, auf denen Brach- und Wasservögel abgebildet waren. Er war in der Vogelwarte.
»Geht es dir gut?«, fragte eine Stimme.
Hambrock hob vorsichtig den Kopf. Schräg gegenüber saß Peter Bodenstein. Er blickte schuldbewusst, die Hände steckten tief in den Taschen seiner Daunenjacke. Die Öffnung hinter ihm war mit schmalen Birkenstämmen ausgefüllt. Dort ging der See in Bruchwald über.
»Es tut mir Leid, wenn ich dir Schmerzen zugefügt habe«, sagte er. »Doch ich wollte mit dir reden und hatte die Wahl: Entweder trage ich bei einem Gespräch die Handschellen – oder eben du.«
Hambrock räusperte sich schwerfällig. »Hast du etwas zu trinken?«
»Natürlich.« Peter stand auf und zog einen Flachmann aus der Tasche. Er schraubte den Verschluss ab und hielt ihm die Flasche an die Lippen.
»Extra für dich besorgt«, sagte er.
Hambrock trank gierig, Mund und Rachen flammten augenblicklich auf. Es war etwas Hochprozentiges, das Peter ihm einflößte. Gin, vermutete Hambrock, doch sicher war er sich nicht.
Auch wenn er sich einfach nur Wasser gewünscht hätte, so war er doch überrascht, wie gut der Schnaps ihm tat. Er fühlte sich sofort besser, und auch seine Schmerzen traten in den Hintergrund.
Peter steckte den Flachmann zurück in die Jacke und setzte sich auf die Bank. Er vergrub die Hände wieder in den Taschen und lächelte Hambrock etwas geknickt an.
»Das hätten wir uns damals nicht träumen lassen, einmal in so eine Situation zu kommen, nicht wahr?«
Hambrock gab keine Antwort darauf. Er versuchte erfolglos, eine bequemere Haltung einzunehmen. Nach einer Weile gab er auf.
»Es ist genau wie beim letzten Mal, nicht wahr? Ihr sucht nur nach mir, und ein anderer Täter kommt nicht in Betracht.«
»Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte Hambrock. »Doch es wäre leichter gewesen, wenn du nicht geflohen wärest. Und diese Aktion hier macht es auch nicht unbedingt besser.«
Peter stieß verächtlich die Luft aus. »Ich wäre schön blöd gewesen, wenn ich nicht geflohen wäre. Ich bin das Monster, hast du das schon vergessen? Der perverse Lustmörder. Ich kann wohl kaum damit rechnen, ein zweites Mal freigesprochen zu werden. Ich habe mir geschworen, nicht wieder ins Gefängnis zu gehen. Es wäre für mich nicht schlimm, wenn ich untertauchen müsste. Ich habe gute Kontakte, und ich weiß, wohin ich gehen muss, um mit einer anderen Identität neu anzufangen.«
»Weshalb bist du dann noch hier?«, fragte Hambrock.
»Weil ich mich nicht vertreiben lassen
Weitere Kostenlose Bücher