Das Geheimnis zweier Ozeane
Händen klammerte er sich an den Bordrand seines Kanus und rang lange nach Atem. Als er wieder etwas zu sich gekommen war, schaute er sich ängstlich um und näherte das Ohr dem Wasser. Ein neuer Trommelschlag erreichte ihn, er schnellte hoch und wälzte sich über den Rand des Kanus. Ihm schien, als schwanke das Boot unter den geheimnisvollen Schlägen, die aus der Tiefe des Ozeans kamen. Das war für Ngaara zuviel. Er sprang auf, riß das Messer heraus, schnitt mit einem Hieb die Leine durch, an der das kostbare Netz hing, und ruderte verzweifelt, als ginge es um sein Leben, zum Meeresufer.
Die ganze Nacht warf sich Ngaara auf seiner Lagerstatt aus Schilf hin und her, stöhnte und schrie. Wilde Worte kamen aus seinem Mund, vom Mond in einer silbrigen Wolke, der auf dem Meeresgrund leuchtete, vom Tanz der Sterne um ihn und dem Dröhnen der heiligen Trommel. Angata, sein Weib, von Furcht und Entsetzen gepackt, klagte und wimmerte mit ihrem Mann. Als am Morgen Nachbarn und Verwandte kamen, eilte die Kunde von Ngaaras schrecklicher Vision durch die ganze Insel, als Geheimnis vor den Weißen gehütet, die natürlich Ngaara nicht glauben und ihn und seine Stammesgenossen als Ketzer und Heiden bestrafen würden.
Aber schon nach drei Tagen plauderte der alte Te-chacha, vom Alkohol verzaubert, dem Händler Robinson, von dem er ein Glas Schnaps für einen Sack Kokosnüsse bekommen hatte, das wunderbare Geheimnis der Insel aus. Und schon ein paar Stunden später erfuhr es von Robinson der braunhäutige Bootsmann Ribeira, dessen Schiff vor der Insel ankerte. Der Schoner „Santa-Maria“ hatte für Robinson eine neue Ladung an Bord: Schnaps, Kattun, verschossene Konfektionskleidung, verschiedene andere Ladenhüter und allerlei bunten Tand. Von Ribeira erfuhr als erster das Geheimnis Don Juan Gomez Gonzales, ein Reporter aus Valparaiso, der zufällig nach dieser langweiligen Insel verschlagen war, als Freund und Gast des Kapitäns der „Santa-Maria“. Am Abend des gleichen Tages, als eine erfrischende Brise vom Meer wehte, ruderte der Reporter, der eine Sensation für seine Zeitung witterte, zu dem Ort, den der ewig betrunkene alte Te-chacha genannt hatte. Don Juan zog gegenüber Ngaaras Hütte die Ruder ein und tauchte ins Meer. Völlig erschüttert erschien er wieder an der Oberfläche. Er hatte die leuchtende Silberwolke gesehen, und obgleich keine Trommelschläge zu hören waren, hielt er die Erzählung Ngaaras darüber für wahr. Und schon am frühen Morgen des 16. August funkte er von der „Santa-Maria“ an die Zeitung „El Popolo“ in Valparaiso einen langen, märchenhaft klingenden Bericht unter dem Titel „Das Geheimnis der Osterinsel“. Am Abend war diese Sensation bereits in der ganzen Welt verbreitet.
Fünfhundert Kilometer nordwestlich der Insel fing der Kreuzer „Yamato“, der sich in voller Fahrt in südöstlicher Richtung befand, den Funkspruch der „Santa-Maria“ auf. Der Funker machte dem Kreuzerkommandanten und Kapitän Majeda Meldung, der offensichtlich sehr befriedigt war.
Kosyrew hatte Schlaf und Ruhe verloren. Er hielt sich ständig im Labor auf. Seine sommersprossigen Wangen sanken ein, die Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Das Rätsel des Thermits zehrte an ihm, es blieb nach wie vor ein quälendes dunkles Geheimnis. Alle möglichen Stoffgemische hatte Kosyrew schon versucht, und das Bewußtsein, nicht weiterzukommen, raubte ihm fast den Verstand. Bereits den dritten Tag arbeitete Zoi mit ihm. Aber beide kamen keinen Schritt weiter.
Heute nacht sprach schließlich der Zoologe ein Machtwort. Mit entschlossenem Gesicht, in der Hand ein Fläschchen, trat er auf Kosyrew zu, der am Labortisch saß, den Kopf zwischen die Hände gepreßt, und forderte ihn unter Hinweis auf einen Befehl des Kapitäns auf, von diesem „Schnäpschen“ etwas zu sich zu nehmen. Kosyrew trank und starrte vor sich hin. Doch das „Schnäpschen“ des Zoologen wirkte ziemlich schnell. Fünfzehn Minuten später führte Zoi den schwankenden Kosyrew in die Kajüte und brachte ihn ins Bett, in dem er sofort fest einschlief.
Um vier Uhr morgens, eine halbe Stunde vor dem Wecken, wurde Zoi durch Klopfen an seiner Tür geweckt. Der junge Mann rieb sich die Augen, stand auf und öffnete. Vor ihm stand halbangekleidet, mit wirren Haaren Kosyrew.
„Zoi!“ stammelte er. „Zoi! Du bist Chemiker … du mußt es wissen … ich habe keine Zeit, um in einem Nachschlagewerk zu suchen … sage mal, wieviel Magnesiumchlorid
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