Das Geheimnis zweier Ozeane
mußte noch auf seine Reichweite und auf die Klarheit seiner Wiedergabe überprüft werden.
Krawzow schwamm in siebzig Meter Tiefe mit sechs Zehnteln der vollen Geschwindigkeit. Es war ziemlich hell, seine Stirnlaterne schaltete er nicht ein. Der Leutnant war in gehobener Stimmung. Der Kapitän hatte heute mit ihm etwas herzlicher als sonst gesprochen und ihn sogar mit einer neuen Arbeit betraut. – Was war er doch für ein prächtiger Mensch! Und Arsen Dawidowitsch ebenfalls. Wie dankbar er beiden war! Natürlich vergaß er nicht seine Schuld … Dem Leutnant entrang sich ein schwerer Seufzer.
Selbstverständlich würde er jederzeit bereit sein, sein Vergehen zu sühnen. Aber niemand auf dem U-Boot warf ihm etwas vor; alle hatten Verständnis dafür, wie schwer es ihm ums Herz war, wie er seinen Leichtsinn bereute; niemand erwähnte in seiner Anwesenheit Gorelows Namen.
Bei der bloßen Erinnerung ballte der Leutnant die Fäuste und atmete schwer. Oh, dieser verhaßte Mensch!
„Mehr rechts halten, Juri Pawlowitsch!“ hörte er plötzlich die Stimme des Zoologen. „Schwimmen Sie zwei Meter höher! Sie sind gleich da … Stopp! Richtig! Jetzt noch zehn Meter weiter … So … zehn Meter nach rechts … Nun schräg nach oben … Lassen Sie die Laterne aufleuchten … Jetzt löschen Sie sie wieder aus … Ich schalte alle benachbarten Bildwerfer aus, damit sie die Arbeit von Nr. 142 nicht verzerren … Wir wiederholen jetzt das Manöver … Stopp! … Bewegen Sie sich jetzt nicht … Ich verstärke die Spannung etwas …“
Der Leutnant stellte die Schraube ab, regulierte den Gewichtsregler und hing nun bewegungslos in der Tiefe. Vor ihm und in der Ferne huschten schemenhaft Fische, Medusen und Mollusken vorbei.
Plötzlich tauchte ein seltsamer Schatten auf – lang und sich hinten verjüngend, aber ohne die für Fische charakteristischen schlängelnden Bewegungen. Vorn am Schatten – ein heller Fleck, ein Lichtstrahl.
Krawzows Herz klopfte. Was kann das sein? Ein Hai? Ein riesiger Thunfisch? Nein, das ist kein Fisch!
Der Schatten kam schnell näher – schräg nach unten.
Die Stirnlaterne einschalten? … Nein, besser abwarten.
Der dunkle Schatten schoß vierzig Meter vor dem Leutnant in die Tiefe.
Ein Mensch! hätte der Leutnant fast aufgeschrien. Ein Mensch im Taucheranzug! In einem sehr großen Taucheranzug! Nr. 0 … Wer könnte das sein? Skworeschnja? Aber Skworeschnja war mit Marat abkommandiert … Wer ist es dann? … Der Unbekannte schwimmt vorschriftsmäßig … Beine ausgestreckt und geschlossen … die Hände an die Schenkel gepreßt … Einer von uns?
Und plötzlich drehte sich alles vor den Augen des Leutnants. Das Blut schoß ihm in den Kopf. Ohne zu überlegen, sauste er mit voller Kraft hinter dem rätselhaften Schatten her.
„Juri Pawlowitsch!“ ertönte die erstaunte Stimme des Zoologen. „Ich sehe Sie ja gar nicht mehr auf dem Bildschirm. Juri Pawlowitsch! Antworten Sie! Teufel noch mal! Ist etwa die Funkanlage entzwei?“ murmelte der Wissenschaftler erstaunt.
Der Leutnant hörte die Stimme des Zoologen wie aus weiter Ferne. Seine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich jetzt auf den leuchtenden Fleck, der immer heller wurde und dem er schnell näher kam. Der Unbekannte schwamm nur mit halber Kraft.
Noch einen Augenblick – und der Finger des Leutnants drückte auf einen Knopf seines Steuergerätes. Ein greller Lichtkegel beschien den Helm des Tauchers und seine Gesichtszüge.
Der Leutnant schrie heiser auf. Es war ein Schrei der Wut und des tödlichen Hasses:
„Gorelow!!!“
Vom Licht der Laterne geblendet, hob der Mann instinktiv die Hände zu den Augen. In demselben Moment stürzte der Leutnant auf ihn zu und packte seine Arme oberhalb der Ellenbogen.
Nur den Bruchteil einer Sekunde wandte Gorelow sein angstverzerrtes Gesicht dem Leutnant zu. Dann stieß er ihn mit dem Bein vor den Leib. Vom Taucheranzug geschützt, fühlte der Leutnant keinen Schmerz, aber seine eine Hand glitt von Gorelows Arm ab.
Die Gegner standen sich Auge in Auge gegenüber.
Schweigend und ohne den Blick voneinander zu wenden, wirbelten beide mit arbeitenden Schrauben durchs Wasser.
Das Entsetzen in Gorelows Gesicht war einem geringschätzigen Lächeln gewichen. Er hatte seinen Gegner erkannt, und dieser schien ihm nicht sonderlich gefährlich zu sein.
Der Leutnant keuchte, seine Haare waren vom Schweiß verklebt und fielen ihm in die Augen. Ein Schwächeanfall, die Folge der erst vor kurzem
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