Das Geheimnis zweier Ozeane
drückte. Die Plattform klappte wieder zurück. Die dicken Metalltüren schoben sich mit ihren Rändern so fest zusammen, daß man nur mit Mühe die Verbindungsnaht sehen konnte. In der gegenüberliegenden Wand sah man einige eingebaute Geräte mit Zifferskalen, Zeigern und gläsernen Röhrchen.
Etwa zehn oder fünfzehn Minuten später war in der Kammer kein Tropfen Wasser mehr.
„Wie hoch ist der Druck, Lord?“ fragte Skworeschnja ungeduldig.
Der Zoologe näherte sich den Meßgeräten und schaute auf einen Zeiger.
„Nur noch achtzehn Atmosphären“, antwortete er. „Gleich wird der Luftdruck normal sein, und wir werden die Taucheranzüge ablegen können.“
Er blickte einige Zeit auf die Meßgeräte, öffnete dann seine Seitentasche und drückte auf einen Knopf. Im gleichen Augenblick drang in die Saugvorrichtung, die den Helm auf den Kragen des Taucheranzuges preßte, Luft ein, und der Zoologe nahm schnell seinen Helm ab.
Anschließend entnahm er der Tasche eine an einer Schnur befestigte Kupfernadel. Er drückte auf einen winzigen Knopf am Griff der Nadel und fuhr mit ihrer Spitze von oben nach unten über die Nähte in der Mitte des Taucheranzuges und dann über die von den Hüften bis zu den Füßen und um die Taille führenden Nähte. Der Taucheranzug öffnete sich an diesen Nähten, und der Zoologe befreite sich nach und nach von seiner metallenen Kleidung. Auf die gleiche Art entledigten sich auch Skworeschnja und Pawlik ihrer Anzüge.
Jetzt öffnete sich in der hinteren Wand eine Tür, und ein hagerer junger Seemann in weißer Uniformjacke und schwarzen Hosen stürzte in die Kammer. Seine dunklen Haare waren glatt gekämmt; er trug einen sorgfältig gezogenen Seitenscheitel, nur über der Stirn ragte widerborstig eine Haarsträhne hervor.
„Was ist mit Pawlik?“ rief er, während er auf Skworeschnja zueilte.
„Nichts Schlimmes, Marat Moissejewitsch“, antwortete Pawlik selbst und lief dem jungen Seemann entgegen.
„Nicht so stürmisch …“, dämmte der Zoologe die Unbekümmertheit des Jungen. „Entkleide ihn schnell, Marat, und bringe ihn in die Lazarettkammer. Ich werde ihn gleich untersuchen.“
Ein zweiter junger Seemann betrat die Kammer. Er war untersetzt, schwarzhaarig und hatte ein bronzefarbenes Gesicht von mongolischem Typ. Seine schmalen schräg gestellten Augen musterten voller Sorge die Taucher.
„Zoi!“ rief ihm Pawlik strahlend entgegen, ohne ihn zu Worte kommen zu lassen. „Ich habe dir eine interessante Schnecke mitgebracht. Ich bin gesund und munter. Arsen Dawidowitsch sagt, daß es eine neue Schnecke ist. Aber sie bewegt sich kaum. Arsen Dawidowitsch möchte, daß du sie untersuchst.“
„Ach, du meine Güte!“ Zoi lachte und zeigte dabei zwei Reihen prächtiger schneeweißer Zähne. „Du erzählst mir ja gleich einen ganzen Roman. Schön, daß dir nichts passiert ist. Nun, wir wollen dich erst untersuchen, mein kleiner Held.“
Alle fünf verließen die Kammer und betraten eine Welt blitzenden Metalls, ungewöhnlicher, geräuschlos arbeitender Maschinen und Getriebe.
Viertes Kapitel
DER UNTERGANG DER , Diogenes ‘
T
rotz des furchtbaren Orkans, der aus den eisigen Regionen der Baffin-Bai und aus Grönland heranbrauste, hatten bereits zwei oder drei Stunden nach dem ersten SOS-Ruf der ,Diogenes‘, eines großen Passagierdampfers, der zwischen Cherbourg und New York verkehrte, einige Schiffe die Unglücksstelle erreicht. Die riesigen, mehrere Meter hohen Wellenberge wurden mit großen Mengen von Öl geebnet. Motorkutter und Luftschraubenboote retteten die Menschen vom sinkenden Schiff. Die ersten Opfer konnten von der ,Marie Antoinette‘, die schon vor dem Eintreffen der andere Schiffe mit den Rettungsarbeiten begonnen hatte, an Bord genommen werden. Unter den Geretteten befand sich auch der sowjetische Konsul in Quebec, Iwan Fjodorowitsch Bunjak, der in seine Heimat zurückkehrte; er war beim Zusammenstoß mit dem Eisberg schwer verletzt worden.
Als die ,Diogenes‘ mit dem Eisberg zusammenstieß, hatte er gerade mit seinem vierzehnjährigen Sohn Pawel an der Reling des obersten Schiffsdecks gestanden und gelassen aus fünfundzwanzig Meter Höhe das stürmische Unwetter betrachtet. Der Eisberg war ganz plötzlich aus dem Frühnebel aufgetaucht, und nur der schon seit sieben Tagen tobende Orkan konnte ihn hierher getrieben haben, denn in diesen Breiten waren Eisberge noch nie beobachtet worden.
Gerade in dieser Nacht hatte die Infrarot-Kamera an
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