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Das Geheimnis zweier Ozeane

Das Geheimnis zweier Ozeane

Titel: Das Geheimnis zweier Ozeane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grigori Adamow
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Backbord versagt, so daß das Nahen des Eisberges nicht rechtzeitig bemerkt werden konnte. Der Sturm tobte so heftig, und die Eismassen waren so groß, daß der Zusammenstoß sofort zur Katastrophe führte. Die Schiffswand wurde backbord in ganzer Länge eingedrückt, so daß die wasserdichten Querschotten barsten. Im selben Augenblick stürzten riesige Eisblöcke auf die oberen Decks.
    Bunjak wurde bewußtlos an Bord eines Kutters der ›Marie Antoinette‹ genommen. Niemand bemerkte das Fehlen seines Sohnes. Der majestätisch anzusehende Eisberg, der so viel Unheil angerichtet hatte, trieb indessen auf der sturmgepeitschten See leicht schaukelnd ab.
    Als das Rettungswerk beendet war, wurden die Personalien der Geborgenen festgestellt. Die Untersuchung ergab, daß drei Passagiere fehlten, unter ihnen Pawel Bunjak. Man zweifelte nicht daran, daß die drei Vermißten bei dem Zusammenprall ins Meer gefallen und ertrunken waren. Einige Motorkutter suchten noch eine Viertelstunde lang ohne Erfolg in der Nähe der sinkenden ,Diogenes‘ nach den Vermißten.
    Während die Schiffssirenen heulten, sank die ,Diogenes‘ mit erloschenen Kesseln langsam in die dunklen Tiefen des Ozeans. Die zu Hilfe geeilten Schiffe setzten ihre Fahrt fort und brachten die Geretteten in verschiedene Häfen der europäischen Küste.
     
    Langsam verebbend glätteten sich die Wogen. An der Meeresoberfläche regte sich wieder Leben. Immer öfter erhoben sich aus der ultramarinblauen See Schwärme fliegender Fische. Sie segelten mit ihren flügelähnlich ausgebreiteten Flossen weite Strecken über den Wellen und tauchten wieder in die klaren Meeresfluten.
    Wie Geschosse schnellten aus dem Wasser prächtige glänzendblaue oder purpurfarben glühende Doraden, Goldmakrelen mit leuchtenden goldgelben Schwanzflossen. Zwei bis drei Meter lange Thunfische zeigten zuweilen im Jagdeifer ihr aufgesperrtes Maul oder ihren breiten schwarzblauen Rücken. Sie verfolgten die fliegenden Fische, die sich in ganzen Schwärmen in dem Wasser tummelten. Aber weder die Jäger noch die Gejagten schienen sich um die ungewohnten und seltsamen Dinge zu kümmern, die überall im Wasser trieben: Holzbänke, Korbstühle, geflochtene Körbe mit Kohlköpfen und Apfelsinen, Holzsplitter, ein japanisches Lacktischchen, eine verglaste Tür, Seegrasmatratzen, Rettungsringe, Stroh und all die anderen stummen Zeugen des Unterganges der ,Diogenes‘.
    Eine über einen Meter lange Dorade fiel nach einem Sprung klatschend ins Wasser zurück. Aber blitzschnell nahm sie die Verfolgung eines fliegenden Fisches wieder auf, und als ihr Opfer in bogenförmigem Fluge ermattet niederging, schnellte sich die Dorade mit einem einzigen Schlag ihrer Schwanzflosse ein paar Meter aus dem Wasser hoch, und im nächsten Augenblick verschwand die Beute in dem riesigen, runden Maul des Raubfisches.
    Dieses farbenprächtige Schauspiel voller Bewegung ließ die drei Männer, die den Ozean aufmerksam beobachteten, völlig unberührt. Sie standen auf einer von einem Geländer umgebenen ovalen Plattform, die sich auf dem höchsten Punkt einer Wölbung aus geripptem, blaugrün gestrichenem Metall befand. Unmittelbar vor ihnen fiel die Metallwand steil ins Wasser ab. Hinter ihnen senkte sich der Schiffskörper in sanftem Schwung auf etwa zwanzig bis dreißig Meter Länge wie der Rücken eines mächtigen Wales und verlor sich in den Fluten. Auf diesem Rücken saß wie eine in den Nacken geschobene Mütze ein Buckel aus dem bleichen gerippten Metall. Manchmal entblößte eine zurückflutende Welle noch einen weiteren Teil des abfallenden Metallkörpers und gab zu erkennen, daß dieser sich noch weit unter Wasser fortsetzte.
    Das Schiff schwankte in der Dünung. Die Männer auf der Plattform schienen jedoch das Schlingern nicht zu empfinden. Zwei von ihnen, in blendendweißer Offizierskleidung mit goldenen Dienstgradabzeichen am Ärmel und „Krabben“ an der Mütze, beobachteten schweigend durch seltsam geformte Ferngläser die leicht bewegte See.
    Der dritte, ein breitschultriger riesiger Matrose, stand leicht gebeugt hinter seinen Vorgesetzten. Sein langer, heller Schnurrbart hing herab; seine kleinen Augen im breiten, glattrasierten, stupsnasigen Gesicht blickten gutmütig und etwas listig. Auch er beobachtete angespannt die See, ohne die Jagd der Raubfische zu beobachten.
    Die Sonne war untergegangen. Schnell wurde es dunkler, als steige aus dem Ozean ein riesiger, sich immer mehr verdichtender Vorhang

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