Das Geheimnis zweier Ozeane
liegen.
Hinter dem Schiff, einige Dutzend Meter von der Plattform entfernt, brodelte es plötzlich heftig unter Wasser, und das Schiff stoppte fast augenblicklich seine Fahrt.
„Gleitboot klarmachen!“ befahl der Kapitän.
Einer der vor dem Luk stehenden Matrosen kippte seinen Kasten auf die Seite und öffnete das Schnappschloß. Der Kasten klappte auf und verwandelte sich schnell in ein kleines Boot mit einem glänzenden Metallgerippe. Aus dem zweiten Kasten wurde ein kleiner Elektromotor mit zusammenlegbarer Schraube genommen und am Heck des Gleitbootes befestigt.
Einige Minuten später jagte es, mit Skworeschnja am Steuer und noch zwei Mann an Bord, lautlos über das Wasser dahin.
Die Fahrt vom Eisberg zurück ging so schnell vor sich, als gleite das Boot auf Flügeln. Kaum hatte es am Schiff angelegt, stürzte Skworeschnja auf die Plattform. In seinen Armen hielt er einen kleinen menschlichen Körper mit hilflos herabhängenden Armen.
„Der Junge!“ rief er freudig erregt. „Er ist fast noch ein Kind!“
„Lebt er?“ fragte Lord.
„Er ist ohnmächtig. Anfangs stöhnte er noch, verstummte dann aber.“
„Schnell in die Lazarettkammer mit ihm!“ befahl Lord und verschwand in der Luköffnung.
Skworeschnja folgte ihm mit seiner Last.
Die beiden Matrosen stiegen mit ihren Kästen ebenfalls in das Luk, die Leiter schob sich in ihren Spalt zurück.
Auf der Plattform blieb der Kapitän allein. Er drückte auf einen Knopf der Steuerung. Die Geländerteile zogen sich wie eine Ziehharmonika zusammen und glitten in das Innere des Metallkörpers. Der Kapitän schaute noch einmal auf den Ozean, dann verschwand auch er im Luk.
Gleich darauf versank das Schiff im Meer. Eine Woge rollte über die Stelle hinweg, wo es eben noch aus dem Wasser geragt hatte, als wollte sie jede Spur des seltsamen Schiffes verwischen.
Fünftes Kapitel
DIE REISEROUTE WIRD GEÄNDERT
D
as U-Boot gehörte zur Kriegsmarine. Die Feinde der Sowjetunion hatten wiederholt versucht, in den Besitz der Konstruktionszeichnungen dieses geheimnisvollen Schiffes zu gelangen. In der Nähe der Werft, auf der es gebaut wurde, trieben sich Tag und Nacht Spione herum; zwei leitende Mitarbeiter der Werft, in deren Wohnungen man wichtige Unterlagen vermutete, fielen einem Mordanschlag zum Opfer. Einige Spione wurden verhaftet und bestraft. Aber das wirkte keineswegs abschreckend; je näher der Zeitpunkt der Fertigstellung heranrückte, desto hartnäckiger versuchten die Beauftragten des Feindes, ihr Ziel zu erreichen.
Jedoch blieb alles vergeblich. Der Bau des U-Bootes wurde unter der Leitung seines Konstrukteurs Michail Krepin erfolgreich beendet. Der Stapellauf, die Bewaffnung mit neuen, ganz ungewöhnlichen Angriffs- und Abwehrwaffen, die Probefahrten in der Ostsee und das Auslaufen des U-Bootes zu seiner ersten Seereise, deren Ziel Wladiwostok war, wurden streng eingehalten.
Gerade dort drohte für die nächste Zeit, wie alle Informationen eindeutig besagten, eine verhängnisvolle Zuspitzung der politischen Lage. Der alte Feind, der hartnäckig und unablässig die Beherrschung des asiatischen Kontinents anstrebte, bezog nach wie vor das sowjetische Primorje-Gebiet in seine aggressiven Pläne ein. Dieses blühende Land hätte er nur zu gern besetzt. Die Clique um den Kaiser und die militärischen Kreise bereiteten einen Krieg gegen die Sowjetunion vor, wobei sie auf die Hilfe des Westens hofften. Sie kannten die ganze Gefahr, das ganze Risiko ihres neuen Abenteuers, aber die Gier nach weiteren Eroberungen, die Angst vor den politischen Spannungen im eigenen Lande und der blinde Haß gegen die UdSSR ließen sie selbst vor einem Krieg nicht zurückschrecken, dessen Ausgang für sie unsicher war.
Voller Ruhe, aber wachsam beobachteten Partei und Regierung der Sowjetunion ihren Nachbarn. Sie wußten, daß am 24. August, dem Geburtstag des Kaisers, Beschlüsse zu erwarten waren, von denen das Schicksal vieler Millionen Menschen abhing.
Am Vorabend dieses entscheidenden Tages, dem 23. August, sollte das U-Boot ,Pionier‘ in den fernöstlichen Küstengewässern der Sowjetunion erscheinen. Das unerwartete Auftauchen eines mit neuen Waffen ausgerüsteten U-Bootes sollte in letzter Stunde dem kaiserlichen Generalstab einen Strich durch die Rechnung machen und zur Ernüchterung der Säbelraßler führen.
Diese in der Geschichte der Seefahrt erste Durchquerung bisher unzugänglicher Tiefen des Weltmeeres sollte auch eine einzigartige Gelegenheit
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