Das Geheimnis zweier Ozeane
Walfänger ist ein ganz modernes Schiff von mindestens dreihundert Bruttoregistertonnen. Seine Maschinen haben eine Leistung von etwa tausend PS.“
„Aber sie gehen unter!“ rief Marat. „Sie gehen unter, Genosse Leutnant! Können wir ihnen denn nicht zu Hilfe kommen?“
„Der Kapitän wird gleich hier sein“, antwortete der Leutnant. „Ich habe ihm Meldung erstattet. Ich selbst darf nichts …“
„Nun, was gibt’s?“ unterbrach ihn die Stimme des Kapitäns. „Ach so! … Ich verstehe. Der Walfänger ist in großer Gefahr … hm … Schade … Die Sache kann für ihn schlimm ausgehen. Sie können nicht einmal die Leine kappen.“
Der Kapitän schaute unverwandt auf den Bildschirm. Aus dem Schornstein des dem Untergang geweihten Schiffes qualmten plötzlich dicke Rauchwolken. Der Wind verwehte sie sofort. Das Schiff schien einen Satz nach vorn zu machen und jagte dann mit noch größerer Geschwindigkeit über die Wellen.
„Das Wasser hat die Kesselfeuerung überflutet!“ rief der Leutnant erregt. „Jetzt sind sie völlig hilflos.“
In dem Kapitän ging eine Wandlung vor sich. Seine Augen blitzten. „Zur Bugkanone! Den Chefakustiker benachrichtigen!“ befahl er.
Der Leutnant drückte auf den Fernsprechknopf neben einem ovalen Bildschirm von silbrigblauer Farbe. Dieser leuchtete rötlich auf, und auf seiner Fläche erschien eine gewölbte Kammer, in der sich verschiedenartige Apparate, Spulen und riesige gläserne Meßgeräte zwischen einem Gewirr von Kabeln befanden. Inmitten dieses scheinbar chaotischen Durcheinanders saß in einem hohen Drehsessel vor einer Schalttafel mit dem Bildschirm eines Fernsehapparates ein rotwangiger dicker Mann, der Chefakustiker Tschishow.
Der Kapitän gab ein kurzes Kommando:
„Ziel: Organisch * ! Wal bewegungsunfähig machen!“
„Zu Befehl!“ hörte man die Antwort des Akustikers.
Der Kapitän sagte halblaut zum Zoologen:
„Mag wenigstens die Beute diese Menschen für die ausgestandene Angst entschädigen. Und die Beute kann sich sehen lassen! Was für ein Ungeheuer!“
Der Wal und das Schiff waren jetzt nicht weiter als sieben oder acht Kilometer vom U-Boot entfernt. Das Tier war tatsächlich von ungeheurer Größe. Seine Länge betrug fast zweiunddreißig Meter, seine etwa acht Meter breite Schwanzflosse arbeitete wie eine Schiffsschraube. Das Tier zeigte keinerlei Ermüdung. Mit ungebrochener Kraft schleifte es das Schiff hinter sich her.
Das U-Boot war plötzlich, wie eine riesige Orgel, von einem tiefen melodischen Dröhnen erfüllt …
Ein paar Sekunden vergingen … Ruckartig, als habe sich vor ihm ein unüberwindbares Hindernis aufgetürmt, hemmte der Wal seinen rasenden Lauf. Während er das Wasser mit den Flossen peitschte, zuckte und krümmte er sich wie im Krampf und öffnete und schloß seinen riesigen, höhlenähnlichen Schlund. Mit einem letzten Kraftaufwand wirbelte er seinen Schwanz hoch und, als habe ihn ein riesiges Rasiermesser vom Rumpfe getrennt, flog der Schwanz zur Seite und wurde wie ein Segel vom Wasserstrudel fortgetragen.
Durch den Körper des Wals ging ein letztes Zucken; er drehte seinen faltigen Bauch nach oben und begann langsam zur Oberfläche emporzusteigen.
Gleichzeitig tauchte der Bug des Walfängers aus dem Gischt empor; die Leine der Harpune hing kraftlos herab. Als könnte sie es noch nicht fassen, daß sie gerettet war, lief die Besatzung des Walfängers in freudigem Taumel auf dem Deck umher.
Das U-Boot entfernte sich schnell mit Kurs Nordwest.
Um fünfzehn Uhr zeigten sich auf dem Bildschirm die Umrisse einer hohen Erhebung. Die ,Pionier‘ hatte lange nach einem solchen Berg auf dem Meeresboden gesucht.
Sechstes Kapitel
UNTER FREUNDEN
D
er besorgte Zoologe hatte Pawliks Kopf, der bei dem Zusammenstoß mit dem Schwertfisch am meisten abbekommen hatte, so gründlich verbunden, daß nur noch Nase, Mund, Augen und ein Ohr frei waren.
„Fertig!“ Lordkipanidse knüpfte den letzten Knoten über dem Scheitel des Patienten und strich sich über seinen Bart. „Eigentlich müßte man dich für wenigstens zwei Tage ins Bett packen. Da hättest du es sehr schön, Jungchen. Aber du hältst es ja darin doch nicht so lange aus!“ fügte er bekümmert hinzu.
Der Lazarettraum des U-Bootes war in angenehmes mattes Licht getaucht; drei blütenweiß überzogene Betten standen an den Wänden. Nach seiner Rettung vom Eisberg hatte Pawlik hier schon einmal mehrere Tage gelegen. Erst heute, nach zweitägigem Training,
Weitere Kostenlose Bücher